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Gerstenkaffee,
Klümpkes und
Bauernleinen

Historischer Markt in Wünnenberg

Von Hanne Reimer (Text und Fotos)
Bad Wünnenberg (WV). Ein Volksfest ganz ohne lärmenden Autoscooter, halsbrecherische Fahrgeschäfte und knallbunte Buden - und trotzdem haben alle Besucher richtig Spaß? Klar, geht das. Wie, das zeigten gestern endlich wieder einmal die Aktiven des Heimatvereins Bad Wünnenberg beim Historischen Markt.

Alle zwei Jahre zieht das nostalgische Spektakel die Einwohner des Badeortes und viele Gäste auf den Festplatz rund um die Kirche in der Oberstadt. Und auch diesmal hatten sich Heimatvereinsvorsitzende Ilse Klinke und ihre Mitstreiter viel Mühe gegeben - und durchaus aufs Detail geachtet. Denn während auf so manchem historisch angehauchten Markt so ziemlich alles willkommen ist, was »irgendwie alt« aussieht, hatten in Bad Wünnenberg Ritterrüstungen und barocke Kleider nichts zu suchen. Landleben um 1900: So lautete das Motto, an das sich die Aktiven mit ihren liebevoll gestalteten Kostümen eisern hielten.
Weil dazu Pommes rot-weiß und Currywurst nicht so recht passen, griffen die Besucher eben zu Reibekuchen, Waffeln, Schmalzstullen und Paradiesäpfeln: mit bestem Appetit. Und bei großen und kleinen Kindern beliebt war der Klümpkes-Stand, an dem Hermine Kersting-Loer, die alle im Ort nur Tante Mine nennen, ihre Süßigkeiten anbot. Natürlich in Schraubgläsern und abgefüllt in Papiertüten . . .
So richtig herausgeputzt hatten die Aktiven der Historischen Landtechnik ihre hochbetagten Maschinen, deren Umzug mit Musik und vielen Fußgruppen das Markttreiben eröffnete. An mit viel Liebe zum Detail dekorierten Ständen stellten Handwerker ihr Können vor, waren Wein und Käse ebenso zu haben wie Honig, selbstgekochte Marmeladen, Brot und Kuchen frisch aus dem Ofen oder auch der eine oder andere Schatz aus feinem Bauernleinen, der früher sicherlich in die Aussteuertruhe gewandert wäre.
Spitzenklöpplerinnen, die wohl wahre Gedulds-Künstlerinnen sein müssen, stellten ihre Arbeiten ebenso vor wie Stickerinnen. Und Josefine Ebbers ließ gekonnt das Spinnrad surren. Ihr Geheimnis: »Die Wolle nicht vorher waschen. So, wie sie vom Schaf kommt, lässt sie sich am besten spinnen.«
Und wer sich in Zeiten zurückversetzen mochte, in denen Bohnenkaffee noch kein Alltags-Lebensmittel, sondern ein seltener Luxus war, probierte den Gersten-Kaffee, den Alfred Laufkötter an seinem Stand frisch röstete, mahlte und aufbrühte - und war dann doch vielleicht ganz froh, heute zu leben.

Artikel vom 12.09.2005