12.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Hellseher« Schöpff hatte Bericht schon fertig

27:30 - Brenneckes »Jugendwahn« beschert HSG beim Topfavoriten beinahe einen Punkt

Aus Bielefeld berichtet Dirk Heidemann
Bielefeld (WB). »Hier, ich habe den Bericht bereits geschrieben. Es stimmt alles, mehr gibt es nicht zu sagen.« Mit diesen Worten überreichte Oli Schöpff unmittelbar nach dem 27:30 (12:16) seiner Handballer der HSG Gütersloh beim mit viel Vorschusslorbeeren dekorierten Verbandsliga-Aufstiegskandidaten TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck den verdutzt drein blickenden Medienvertretern einen DIN A4-Zettel. Überschrift: »HSG Gütersloh beißt sich durch - Mannschaftliche Geschlossenheit überrascht Favorit«.

Schöpff preist in seinem fiktiven Text (»Den habe ich den Jungs vor dem Spiel als zusätzliche Motivation gezeigt«) vor allem die »ausgezeichnete kämpferische und disziplinierte Leistung« seiner HSG. Die gab es in der Tat nach der Pause zu sehen, als sich die Gäste trotz eines Acht-Tore-Rückstandes in der 45. Minute (16:24) nicht aufgaben und drei Zeigerumdrehungen vor der Schluss-Sirene plötzlich wieder auf einen Treffer dran waren (26:27).
»Den einen oder vielleicht sogar zwei Punkte hätte ich ganz allein verloren. Normalerweise gewinnen wir das Ding mit zehn Toren Vorsprung«, spielte TuS 97-Coach Frank Brennecke auf seinen »Jugendwahn« an, als er im Gefühl des sicheren Erfolges seine drei Leistungsträger Nils Grothaus (9), den nimmermüden HSG-Schreck Ralf Bruelheide (5/1) sowie Sascha Vogelsang (2) zu früh von der Platte nahm und den unerfahrenen Bielefelder Nachwuchs ins kalte Wasser warf - ehe er in der heißen Endphase wieder seine drei Siegesgaranten einwechselte.
»Wenn ich die jungen Leute nicht bei einem so großen Vorsprung bringe, wann denn dann? Aber ich werde aus diesem Fehler lernen«, konnte sich Brennecke einen bissigen Seitenhieb auf das schon murrende Jöllenbecker Publikum (»Merkt unser Trainer eigentlich gar nichts?«) nicht verkneifen, sparte aber auch nicht mit Lob für den »Intimfeind« und erklärten Lieblingsgegner von der Dalke: »Da ist endlich mal wieder Leben drin, das habe ich vorher noch nicht gesehen. Bleibt die HSG vom Verletzungspech verschont, dann bekommen sie mit dem Abstieg nichts zu tun.«
Der Bielefelder Coach sprach damit das wohl größte Gütersloher Problem an. Ohne Philipp Christ (coachte den zeitlich parallel spielenden TV Verl II) und den beruflich verhinderten Lars-Ulf Müller hatte Spielertrainer Schöpff inklusive seiner Person gerade einmal acht Feldspieler beisammen. »Wir suchen natürlich noch nach Verstärkungen«, bekräftigte Schöpff, der dem auf der Tribüne zuschauenden Ex-HSGer Timo Deppe allerdings keine Hoffnungen macht: »Er ist kein Thema.«
Die hellseherischen Fähigkeiten des Gütersloher Trainers, der in seinem »Artikel« von einer »aggressiv-offensiven Abwehrleistung« sowie »einfachen und schnellen Toren durch viel Tempohandball« und einer »niedrigen Fehlerquote« spricht, entsprachen zumindest in der Anfangsphase auch der Realität. Über 4:0 (6.) setzte sich die runderneuerte HSG mit seinen fünf Zugängen Rene Bulwien (ganz starke Vorstellung im rechten Rückraum), Sebastian Sander, Jan Hendrik Schulze, Rückkehrer Stefan Christ sowie Keeper Jerome Bisping auf 6:1 ab (11.), ehe sich die Jöllenbecker immer mehr steigerten und die Gütersloher im Positionsspiel immer wieder zu Fehlern zwangen. Danach lief bis zur besagten 45. Minute alles auf einen klaren Bielefelder Sieg raus.
»Dennoch Kompliment an meine Mannschaft, mit dieser Leistung müssen wir uns vor niemandem verstecken«, bilanzierte Schöpff, der in seinem Bericht übrigens eines nicht vorhergesagt hatte - das Endergebnis. Denn mit einer echten Sensation hatte wohl auch der gewiefte Routinier bei aller Fantasie nicht gerechnet.
HSG: Jäger, Bisping (38. bis 43.) - Gerfen (8/3), Bulwien (7), S. Christ (6), Sander (4), Schulze (1), Schöpff (1), D. Wiemann, T. Wiemann.

Artikel vom 12.09.2005