10.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Von Rüdiger Kache

Paderborner
Perspektiven

Wahlkampf macht's möglich


Der Erfolg hat viele Väter, sagt ein Sprichwort. Bei der spontanen Protest- und Rettungsaktion für das Bahn-Ausbesserungswerk in Paderborn war es gerade die konzertierte Aktion des Betriebsrates, der Transnet-Gewerkschaft, des Paderborner Bürgermeisters und der heimischen Bundestagsabgeordneten Ute Berg (SPD) und Gerhard Wächter (CDU) - aber allen voran die Entschlossenheit der 600 Bahn-Mitarbeiter, für ihr Werk und ihren Arbeitsplatz zu kämpfen, der schnell zum Durchbruch führte.
In Wahlkampfzeiten geht eben manches schneller, geräuschloser, unbürokratischer. Wer hätte allen Ernstes nach der Betriebsversammlung am 5. September mit der Hiobsbotschaft einer möglichen Verlagerung ganzer Arbeitsbereiche nach Eberswalde daran gedacht, dass der oberste Bahn-Chef bereits zwei Tage später persönlich Entwarnung gab, verbunden mit einer Bestandsgarantie für Paderborn?
Da verweist Ute Berg jetzt auf Bundesverkehrsminister Stolpe, dessen Intervention für ein Umdenken im Bahn-Vorstand geführt habe. Und Gerd Wächters Engagement hat wohl NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke auf den Plan gerufen, der zufällig am Mittwoch in Paderborn weilte und natürlich das Gespräch mit dem Betriebsrat des Ausbesserungswerkes suchte. Bevor Wittke sich aber mit den Betroffenen an einen Tisch setzen konnte, gab«s im Vorfeld ein persönliches Telefonat mit Bahn-Vorstandschef Mehdorn. Was und mit welchen Bandagen erstritten wurde, bleibt wohl das Geheimnis der beiden, aber fest steht, dass Mehdorn einseitig eine Presserklärung mit Bestandsgarantie übers Internet jagte und damit weitere Debatten eigentlich überflüssig machte.
Dass Hartmut Mehdorn jetzt etwas zu blauäugig darauf verwies, dass es überhaupt keine Vorstandsdiskussion über ein Ausbluten von Paderborn gegeben habe, mag man ihm angesichts seiner jetzigen Zusage durchaus verzeihen. Er sollte aber wissen, dass es in seinem Hause durchaus ernsthafte Überlegungen gegeben hat, lukrative Arbeitsbereiche nach Eberswalde zu verlagern. Das beweisen vertrauliche Dokumente, die der Betriebsrat zugespielt bekam. Und wenn erst ein Strategiepapier auf dem Vorstandstisch liegt, ist es oft bis zu einer schnellen Entscheidung nicht mehr weit.
D
ie hat es jetzt gegeben - zum Glück für Paderborn. Aber was sagt in der heutigen Zeit eine solche Bestandserklärung eigentlich noch aus? Wurden Umstrukturierungspläne nur auf Eis gelegt oder endgültig zerrissen? Und wie steht's insgesamt mit dem Konzern Deutsche Bahn nach der Bundestagswahl am 18. September? Wird dieser Konzern zerschlagen und in dicken Scheiben privatisiert und an die Börse gebracht? Bleibt es bei der Konzernstruktur?
S
icher ist, dass nichts sicher ist. Also, liebe Mitarbeiter des Ausbesserungswerkes: den Erfolg jetzt feiern und danach weiter ranklotzen. Und immer wachsam bleiben. Erklärungen sind bei wechselnden Vorzeichen und anderen handelnden Personen nicht mehr wert, als das Papier, auf dem sie gedruckt sind. Wer gewarnt ist, kann entschlossener handeln. Und dann muss sich zeigen, ob die Phalanx der geballten heimischen Politik auch außerhalb von publikumswirksamen Wahlkampfzeiten wieder so flott aus dem Quark kommt.

Artikel vom 10.09.2005