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Feriengruß aus
dem Jahr 1901

Postkarten-Schätze im Museum

Von Hans-Heinrich Sellmann
(Text und Foto)
Borgholzhausen (WB). Heute haben E-Mail und Handy-Kurznachricht ihnen längst den Rang abgelaufen. Was aber wäre bis vor einigen Jahren ein Urlaub gewesen, ohne eine Karten in die Heimat zu verschicken? Im Borgholzhausener Museum erzählen mehr als 200 Postkarten Geschichten und Geschichte aus längst vergangen Zeiten.

Wie sahen die Straßenzüge vor 100 Jahren aus, welche Gebäude prägten später das Stadtbild, welche sind heute überhaupt noch vorhanden und welchen Eindruck hatten die Reisenden damals von Pium und seinen Bewohnern? Kaum ein anderes Ausstellungsstück in den Räumen an der Freistraße gibt so viele Auskünfte über Borgholzhausen wie die umfangreiche Sammlung von Ansichtskarten.
Das älteste Exemplar wurde am 8. August 1901 im Piumer Postamt abgestempelt, ehe es seine Reise in die Schweiz antrat. Und nur zwei Tage später durfte sich ein Ehepaar im »Bad St. Moriz« über Grüße gleich von einer ganzen Reisegruppe freuen. Als Motiv hatten die Absender das bis heute beliebteste Motiv gewählt: die Ravensburg. Für viel mehr als den »Gruss an die lieben Eltern« war auf der Karte allerdings kein Platz. Briefmarke und Anschrift kamen auf die Rückseite, so dass sich der Verfasser rund um das Bild auf der Vorderseite kurz fassen musste, wenn er seine Erlebnisse schildern wollte.
Darauf sei es aber auch nicht unbedingt angekommen, weiß Carl-Heinz Beune, Vorsitzender des Heimatvereins: »Die Ansichtskarten waren früher in erster Linie ein Beweis: Seht her, wir waren im Urlaub.« Stolz seien die damals noch wenigen Reisenden gewesen, wenn sie berichten konnten, auf der Ravensburg gewesen zu sein. In den folgenden Jahrzehnten dienten die Karten dann allerdings nicht mehr nur zum fröhlichen Grußaustausch. Die Piumer selbst nutzten in den beiden Weltkriegen das neben dem Brief einzige Kommunikationsmittel, um ihren Lieben an der Front Beistand zu leisten.
Neben Beucke in Dissen und Cramer aus Dortmund begann der Borgholzhausener Fotograf Schumacher 1916, Postkarten vor Ort herzustellen. Erst in schwarz-weiß, später coloriert und schließlich in Farbe. Besonderer Wert wurde natürlich auf das Motiv gelegt. Und wenn das nicht ganz so ausgefallen war wie gewünscht, wurde schon früh ein wenig nachgeholfen. »Auf der bekannten Karte vom Schloss Holtfeld ist der Schwan im Vordergrund ins Bild montiert«, verrät Jutta Schütze-Dworak, die sich für den Heimatverein um das Fotoarchiv Schumacher kümmert. Um mit der Zeit zu gehen, sind auch alte Auflagen korrigiert worden. So kürzte Schumacher einmal den Rock einer Frau, weil das lange Beinkleid mittlerweile aus der Mode gekommen war. Solche Möglichkeiten hat heutzutage zwar jeder Privatmann am Computer. Ob sich an seine MMS in 100 Jahren aber noch jemand erinnert?

Artikel vom 07.09.2005