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Rilkes Leben und Werk zum Leben erweckt

Oliver Steller interpretierte mit seinen beiden musikalischen Begleitern die lyrischen Texte

Von Rainer Maler (Text und Foto)
Salzkotten (WV). Auf eine musikalische Reise durch das Leben und Werk des großen Dichters Rainer Maria Rilke nahm Oliver Steller die mehr als 160 Besucher in Gut Winkhausen bei Salzkotten mit.

Der Musiker Oliver Steller studierte in den USA Musik, spielte mit den Bands des Jazzers Miles Davis und des Latinomusikers Carlos Santana, bevor er begann, Texte und Gedichte von Kästner und Tucholsky musikalisch zum Leben zu erwecken sowie Liebeslieder und Gedichte speziell für Kinder aufzunehmen.
»Zwischen den Sternen - Leben, Gedichte, Briefe« entdeckt den Dichter Rainer Maria Rilke neu. Rilke gehört zum deutschen Kulturgut, hoch geschätzt, und doch von wenigen gelesen. Denn Lyrik hat an Marktwert verloren, und so ist es eine tolle Sache, wenn über den Nebenweg »Musikalische Interpretation« das Werk halb vergessener Dichter wieder in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit gerückt wird.
Begleitet von den Brüdern Fuhr am Kontrabass sowie an Saxophon und Klarinette, zog Steller den musikalischen roten Faden entlang der biographischen Daten Rilkes. Von der Geburt des Dichters 1875 bis zu seinem Tod 1926 an den Folgen einer selten Form der Leukämie, gespickt durch Aussagen von Wegbegleitern Rilkes wie der Nietzsche-Freundin Lou Andrea Salome, Paul Klee und Yvan Goll entfaltete Steller das Leben eines der ersten Europäers.
Geboren in Prag, führte Rilke ein teils rast- und ruheloses Leben in vielen europäischen Ländern, war Privatsekretär des Bildhauers Rodin, dessen Skulptur »Der Denker« vor der Kunsthalle in Bielefeld steht, hatte zahlreiche Amouren mit teils adligen Gönnerinnen und blieb doch Zeit seines Lebens ein einsamer Mensch, der die Einsamkeit brauchte, um fast wie ein Mönch in Zwiesprache mit seinem Gott Werke wie die »Duineser Elegien« sowie seine berühmten Ding-Gedichte zu schreiben, in denen er Natur und Tier eine Stimme gab. Immer wieder aber kreiste sein Schaffen um Gott. »Was wirst du tun Gott, wenn ich sterbe«, lautet ein Gedicht, das von der Suche des Dichters nach dem Sinn des Lebens erzählt.
Dem exzellenten Trio mit Oliver Steller in der Mitte gelingt es, Rilke zum Leben zu erwecken und sein Leben und Werk anschaulich auf der Bühne zu interpretieren. Begleitet von Kompositionen zwischen Jazz, Blues und fast zärtli-chem Rock entfaltet sich das künstlerische Werk Rilkes. Oliver Steller entpuppt sich als enthusiastischer Fan des Dichters und beschreibt mit mal ruhiger, mal lauter, kraftvoller Stimme, mit Sprechgesang und dann fast fetzigem Rock die Intentionen des Dichters.
Ob sich alle Gedichte Rilkes eignen, mag bezweifelt werden. So verliert der Text des Schulbuch-klassikers »Der Panther« durch die musikalische Interpretation an Kraft, die Musik verhüllt das Gedicht wie ein Tuch, die Sprache verstummt. Gerade Rilke aber erfordert für viele seiner Texte den reinen Leser.

Artikel vom 06.09.2005