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»Reform kein
großer Wurf«

Rürup: An Gesundheit wird gespart

Paderborn (WV). Bert Rürup, Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, machte in einem Vortrag in Paderborn deutlich, dass das deutsche Gesundheitssystem quantitativ gut ist, jedoch gekennzeichnet sei durch mangelnden Wettbewerb, unzureichende Transparenz und fehlende Qualitätskontrolle.

Etwa 200 Apotheker aus Nordrhein-Westfalen waren der Einladung des Pharmagroßhändlers Andreae-Noris Zahn AG (Frankfurt/Main) nach Schloß Neuhaus gefolgt, um die Thesen Rürups zur Zukunft des Gesundheitssystems zu verfolgen.
Das deutsche Gesundheitssystem sei nicht marode und es stehe schon gar nicht vor dem Zusammenbruch, so Rürup. Im Gegenteil: Es erwecke sogar Anerkennung im Ausland. Die rein quantitativen Daten - der Bereich Gesundheit ist der größte Arbeitgeber in Deutschland - könnten jedoch nicht als Beleg für Qualität genommen werden, sondern man müsse hinter die Strukturdaten schauen: Als Beispiele führte Rürup die dramatische Zunahme der Inanspruchnahme niedergelassener Ärzte, die Bereinigung der Krankenhauslandschaft aufgrund von Investitionsstaus, die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung und sinkende Geburtenzahlen an.
Auf diese Herausforderungen müsse die Politik reagieren. Reformen hinsichtlich der Finanzierung und der Ausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung seien zwingend notwendig. Die Explosion der Beitragssätze sei kein Kosten-, sondern ein Einnahmenproblem, ist sich Rürup sicher. »Die letzte Gesundheitsreform war wichtig, aber es war nicht der große Wurf - höchstens zur Verhinderung weiterer Steigerungen.« Beitragssenkungen jedoch seien in weite Ferne gerutscht.
Beispielhaft stellte Rürup die ökonomischen Vor- und Nachteile der im Wahlkampf diskutierten Varianten Bürger- bzw. Pauschalversicherung gegenüber. Rürup, Verfechter der Pauschalversicherung ist jedoch sicher: Zunächst werde an weiteren leistungsseitigen Sparmaßnahmen seitens der Gesetzlichen Krankenversicherungen kein Weg vorbei führen. Gestiegene Arzneimittelpreise könnten jedenfalls nicht als Begründung des Problems hinzugezogen werden, so der Gesundheitsexperte. Sie sind nach seinen Angaben sogar insgesamt zurückgegangen.
Interessant ist laut Rürup weiterhin die Tatsache, dass entgegen der Prognosen die Aufhebung der Festpreise für Medikamente nicht zu Preissenkungen geführt habe. Er führt dies auf mangelnden Wettbewerb zurück. »Die Effizienz eines Systems wird aber durch Wettbewerb bestimmt«, so Rürup. Seine These ist: Warum an historisch gewachsenen Strukturen festhalten, wenn der Markt neue Regeln vorgibt?
Eine dieser neuen Regeln wird der Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes sein. Laut Rürup ist dies keine Zukunftsmusik, sondern fast greifbare Realität: »Jeder Apotheker ist gut beraten, sich darauf vorzubereiten. Kein ökonomisches Argument spricht gegen die Zulassung von Ketten.«

Artikel vom 05.09.2005