02.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bei Unfallopfer nicht entschuldigt

Junger Fahrer (19) will seine Schuld nicht erkennen - 350 Euro Geldstrafe

Borgholzhausen/Halle (SKü). Ein 19-jähriger Türke aus Borgholzhausen ist gestern vor dem Amtsgericht Halle wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 350 Euro sowie einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt worden.

Verhandelt wurde ein schwerer Verkehrsunfall vom 28. Oktober 2004, als der junge Türke - damals gerade mal vier Monate in Besitz der Fahrerlaubnis - mit dem 115 PS starken BMW seines Vaters auf der Versmolder Straße (B 476) gegen 21.20 Uhr in Oldendorf verunglückte. Hierbei wurden er selbst und ein 17-Jähriger auf der Rückbank verletzt. Ein heute 17-jähriger Schüler auf dem Beifahrersitz erlitt schwerste Verletzungen.
Die drei jungen Leute waren auf dem Rückweg von einem Fußballspiel des TuS Solbad, als der 19-Jährige in einer Rechtskurve kurz hinter der Einmündung der Oldendorfer Straße die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Er lenkte erst den BMW auf die Gegenfahrbahn, dann lenkte er wieder gegen, kam ins Schleudern und krachte gegen zwei Bäume. Der junge Mann auf der Rückbank wurde aus dem Fenster geschleudert, Fahrer und Beifahrer mussten aus dem Fahrzeugwrack herausgeschnitten werden. »Ein Wunder, dass dort überhaupt jemand lebend heraus gekommen ist«, merkte Amtsrichter Michael Hunke an.
Angesichts der Spurenlage am Unfallort lag es auf der Hand, dass der junge Türke aufgrund überhöhter Geschwindigkeit die Kontrolle verloren hatte. Der Angeklagte jedoch erklärte, dass das Auto nach rechts gezogen habe. Obwohl der Richter ihm vorhielt, dass die Reifen des BMW in Ordnung waren und das Fahrzeug auch sonst keine technischen Mängel aufwies, blieb der Angeklagte dabei, dass er maximal Tempo 80 gefahren sei und er keine persönliche Verantwortung sehe: »Ich habe getan, was ich tun konnte.«
Der 19-Jährige hielt es trotz Aufforderung nicht für nötig, sich bei den Unfallopfern zu entschuldigen. In seinem Schlusswort kritisierte er auch noch die Opferseite, dass die sich durch einen Rechtsanwalt für die Nebenklage vertreten ließ, während er als Angeklagter ganz ohne anwaltlichen Beistand erschienen war.
19 Tage lag der Beifahrer nach einem Schädelhirntrauma und mehreren Brüchen im Koma. Insgesamt verbrachte der junge Mann mehr als vier Monate in Krankenhäusern. Die Behandlung insbesondere der psychischen Spätschäden ist immer noch nicht abgeschlossen. Und inwieweit noch Folgeschäden bleiben werden, wird erst die Zukunft weisen. Derzeit sind ihm 50 Prozent Behinderung attestiert.
Der Nebenklage-Vertreter zeigte sich von einem viel gröberen Verschulden des Fahrers überzeugt, konnte es aber ohne Sachverständigen-Gutachten, auf das alle Seiten verzichteten, nicht beweisen. »Sie waren viel schneller als nur Tempo 80.« Dass der Angeklagte vor dem Unfall mit dem Lenkrad »aus Spaß« gespielt habe, deutete ein Mitfahrer zwar an, wurde aber nicht konkreter. Die Geldstrafe richtete sich nach dem Einkommen des 19-Jähigen, der noch bei den Eltern lebt und demnächst ein Praktikum machen soll.

Artikel vom 02.09.2005