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Neuigkeiten aus dem »studio m«

Miele: Der Verkauf der Küchenmöbelproduktion beendet eine 30-jährige Tradition

Von Stephan Rechlin
Gütersloh/Warendorf (WB). Zum Geburtstag wird das Werk verkauft. Vor 30 Jahren hatte Miele die Küchenmöbelherstellung in Warendorf eröffnet - gestern wurde der Betrieb an die AFG Arbonia-Forster-Holding AG in der Schweiz veräußert (Seite Wirtschaft).

»Wir waren regelrecht geschockt, als wir gestern Morgen auf einer Betriebsversammlung in Warendorf davon erfuhren«, teilt Peter Krüger mit, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates. Ausgerechnet zum Geburtstag seinen langjährigen Arbeitgeber zu verlieren, sei bitter, auch wenn der neue Inhaber einen guten Eindruck hinterlassen habe. Dr. Edgar Oehler, Präsident und Verwaltungsrats-Delegierter der AFG, stellte sich den 300 betroffenen Mitarbeitern gestern persönlich vor. Er versicherte ihnen, dass sowohl ihre Arbeitsplätze als auch ihre bisherigen Sozialleistungen erhalten bleiben - das gelte auch für den im Frühjahr geschlossnen Standortsicherungsvertrag. Mit Herbert Rosenzweig und Dr. Uwe Steinmeyer blieben die bisherigen Leiter des Küchenmöbelwerkes auf ihren Posten.
Mit der Küchensparte von Miele hat die AFG ein Stück Unternehmenstradition erworben. Der Einstieg in die Möbelbranche begann für Miele 1969. Damals arbeitete Miele mit dem Nachbarn Nobilia zusammen. Dann schlugen die Gütersloher einen eigenen Weg ein, wollten selber produzieren. Auf dem Bartels-Areal und auf dem Gelände der ehemaligen Möbelfabrik Peschke (heute Reifen-Kamps) an der Berliner Straße entwickelte Miele das legendäre »studio m«. Das »Studio« war die erste Anbauküche Deutschlands, die von Planung über Aufstellung bis hin zum Kundendienst »aus einer Hand« angeboten wurde.
In Warendorf folgte die zweite Revolution in der Küchenmöbelherstellung. Dort investierte Miele 30,5 Millionen Mark in ein neues, für damalige Begriffe hoch-elektronisches Werk. Miele übertrug die industrielle Montage seiner Wasch- und Spülmaschinen auf die Produktion von Möbeln. In der einen Halle wurden Kunstoffteile gefertigt - nicht nur für die Küchen, sondern für alle Miele-Werke. In der anderen die Küchenmöbel. Die gesamte Produktion war von Beginn an EDV-gestützt. Ein Steuerungssystem versorgte die Montagebänder mit Material, ein zweites regelte den Durchlauf bis zum Versand. Der Betrieb startete mit 290 Mitarbeitern - heute sind es 300. »Wir stehen unter dem Zwang des Wettbewerbes mit Niedrigpreisländern, die nicht die hohen Kosten wie wir kennen. Dieses Werk erreicht mit relativ wenigen Mitarbeitern hohe Produktionsziffern«, sagte Rudolf Miele bei der Eröffnung des Werkes im Juni 1975.
Miele und sein Mitgesellschafter Dr. Peter Zinkann setzten auf den Mitnahmeeffekt. Wer sich eine teure Miele-Maschine leistet, der gibt sein Geld vermutlich auch für hochwertige Küchenmöbel aus dem Hause Miele aus. Mit der industriellen Fertigung wurde das »studio m« immer flexibler. Zunächst konnten sich die Kunden die Farben der Fronten selber aussuchen, später aus einer sieben Module umfassenden »Küchenwelt« jede Einzelheit individuell festlegen. Bei der Kölner Möbelmesse im Januar wurde die Miele-Küche schließlich als Schaltzentrale eines »intelligenten Hauses« präsentiert. Über einen Familienterminal können sämtliche Hausgeräte gesteuert werden. Ein leichter Druck auf die Info-Taste und die Spülmaschine entscheidet selbst, welches Spülprogramm sich für die verschmutzten Sektgläser eignet. Und die Einlegeböden im neuen Miele-Kühlschrank sind neuerdings beleuchtetÉ
Die Kunden folgten nicht jeder Innovation. Vor zweieinhalb Jahren geriet das Warendorfer Werk in eine Krise. Gut 180 Mitarbeiter wurden abgebaut, das Werk erhielt eine letzte Chance. »Damals haben wir mit einem Verkauf gerechnet«, blickt Peter Krüger zurück. Doch die Küchenbauer legten wieder zu. Im vergangenen Geschäftsjahr verzeichnete die Sparte ein Umsatzwachstum von sieben Prozent. Unter dem neuen Inhaber könnte es weiter aufwärts gehen. Mit ihm werden die Küchenmöbel aus Warendorf erstmals auch in der Schweiz und in den USA angeboten. Aus dem ehemaligen »studio m« wird nun »Miele - Die Küche«.

Artikel vom 02.09.2005