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»Im Schulhaus zu Destel wohnte Satan«

Dr. Heiner Koop dokumentierte lokale Schulgeschichte - Nachdenkliches und Heiteres

Von Henrike Kopmann
Drohne/Levern (WB). Stillsitzen, zuhören und dem »König im Dorfe« die gebührende Hochachtung zollen. Kaum zu glauben: Trotz der viel beschworenen disziplinarischen Strenge brachte der Schulalltag vergangener Jahrhunderte so manche Kuriosität zu Tage.

In dem Buch »Das Stillsitzen in der Schule war mir immer eine Qual!« betrachtet Dr. Heiner Koop die Entwicklungen des Stemweder Schulwesens von etwa 1650 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts.
Am Mittwoch stellte der in Drohne geborene Autor seinen »Beitrag zur westfälischen Alltagsgeschichte« in der Verwaltungsstelle Levern vor. Bilder, Zitate und Dokumente sollten die Schulgeschichte im Stemweder Land veranschaulichen, so Koop.
Zugunsten einer möglichst detailreichen und tiefgehenden Analyse habe er sich auf einen kleinen Raum beschränkt. Seine Forschungen beziehen sich auf die Kirchspiele Levern, Dielingen und Wehdem. Als thematische »Stützpfeiler« seiner Betrachtungen dienen der Schulhausbau, das Schulleben und der Unterricht sowie die Rolle der Lehrer. Insbesondere für den Bereich Wehdem sei eine »umfangreiche Bildanalyse« entstanden, berichtete Koop.
Bei der Vorstellung seines Werkes bot der in Rietberg lebende Oberstudienrat sogleich eine Kostprobe: Die Fotographie »Sedanfest in Wehdem« zeigt eine ausstaffierte Schülerschaft und ihren respekteinflößenden Schulmeister. Beine und Arme streng überkreuzt, künden die Jungen vom Triumph der deutschen Truppen über Napoleon. »Im ausgehenden 19. Jahrhundert war die Schule Disziplinierungsanstalt für Gott, Kaiser und Vaterland.« Die »Schulgesetze«, welche Lehrer Schürmann in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts formulierte, verdeutlichen das Selbstverständnis der Erzieher. »Die Schüler waren die Untertanen und der Lehrer der kleine König im Dorf«, führt Heiner Koop aus.
Disziplinarmaßnahmen wie das stundenlange Aufrechtstehen oder das »Heruntersetzen« waren üblich. Wer eine Antwort nicht parat hatte, rückte in der Stuhlreihe und gleichzeitig in der Hierarchie der Schülerschaft herab. Ein 1930 in Wehdem aufgenommenes Foto dokumentiere den »Umbruch«. In unterschiedlichen und selbst gewählten Sitzpositionen der Jungen und Mädchen spiegele sich die Pädagogik der 20er und 30er Jahre wider. Sie habe Wert auf die Förderung der Individualität gelegt.
Auf eine besondere Kuriosität stieß Koop im Staatsarchiv Detmold: 1834 wurden Beschwerden über das sitten- und gottlose Verhalten einer Lehrerfamilie laut: Im »Schulhaus zu Destel« wohne »Satan«. Streit über Nichtigkeiten münde in roher Gewalt. Okkultismus, das Branntweintrinken und Prügeleien seien an der Tagesordnung. Daneben solle der Sohn und Nachfolger des alten Lehrmeisters zwei seiner Schülerinnen verführt haben.
Diese »schillernd überlieferten«, abenteuerlichen Umstände seien selbstverständlich nicht die Regel gewesen, schmunzelt der Autor. Heiner Koop gebe auf wissenschaftlich fundierte und trotzdem sehr humorvolle Weise »Aufschluss über den Alltag der Vorfahren«, so Bürgermeister Ekkehardt Stauss. Das etwa 220 Seiten starke, reich bebilderte und mit Karikaturen versehene Buch sei »keine trockene Abhandlung«, sondern mache Geschichte »erfahrbar«.
Flyer, die über Inhalt und Bestellung der von Uhle & Kleimann herausgebrachten Neuerscheinung informieren, liegen in den Gemeindeverwaltungen, dem Fremdenverkehrsamt (Levern), in Stemweder Sparkassen- und Volksbankfilialen sowie den Schreibwarengeschäften Schlöder (Dielingen) und Frieten (Haldem) aus.

Artikel vom 02.09.2005