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Ein Defizit an
verbindlicher Ethik

Für Kriegsverbrechen auch einstehen


Zum Thema »historische deutsche Schuld«:
Es ist zwar eine Binsenweisheit, dass ein in sich gefestigter, selbst- und verantwortungsbewusst denkender Mensch Schuld erkennt, bekennt und um Entschuldigung bittet. Denn ein unsicherer Mensch bittet kaum einmal um Vergebung, da er befürchtet, das Eingeständnis eigenen Versagens könne als Schwäche ausgelegt werden.
Der Leser Dr. Robert Schumann kritisierte in seinem kürzlich veröffentlichen Leserbrief den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Huber, für sein Anliegen, die Bundesregierung möge sich zu einer deutschen Mitschuld an dem türkischen Völkermord an den christlichen Armeniern während des Ersten Weltkrieges bekennen. Die armenische Bevölkerung passte nicht in das Konzept des neuen türkischen Staates, so wurden annähernd eine Million Kinder, Frauen, Greise und Männer im wahrsten Sinne das Wortes in die Wüste geschickt, um dort elendig zu sterben. Als Verbündeter der Türkei war die deutsche Regierung logistisch und politisch in dieses Geschehen involviert.
Herr Schumann meinte nun, das Anliegen Wolfgang Hubers durch witzige Überzeichnung ad absurdum führen zu können: Im Blick auf die Varus-Schlacht wäre dann auch eine Entschuldigung in Rom fällig. Dazu meine ich: Argumentativ dünner geht's nicht, populistischer schwerlich.
Denn für die im deutschen Namen begangenen Greuel der Nazis habe ich immer schon Scham und Zorn empfunden, auf die Bitten um Vergebung aus dem kirchlichen und politischen Raum war ich immer stolz, weil sich darin Einsicht und Größe paaren. Wenn zum Beispiel die Türkei für deren Völkermord, die Japaner für ihre Verbrechen in China, Engländer und Amerikaner für Bombardierungen reiner Wohngebiete im Zweiten Weltkrieg die Nachfahren der Opfer nicht um Vergebung bitten, zeigen sie nicht Größe, sondern ein Defizit an verbindlicher Ethik. Wenn sie meinen, eine solche Bitte schade ihrem außenpolitischen Ansehen, so kann man nur feststellen: Schaden am moralischen Ansehen ist schlimmer.
Es ist wohl nur schwer zu vermitteln, dass die Haltung eines um Vergebung Bittenden der aufrechte Gang ist, die des Verdrängenden und Leugnenden die Haltung eines geistig-moralischen Schwächlings in Fluchthaltung. Eine verantwortungs- und selbstbewusste Haltung der deutschen kirchlichen und politischen Eliten ist vorbildlich in der Welt und mir sympathischer als eine selbstgefällige und überhebliche anderer Länder. Das ist einer der Gründe, auf unser Land im guten Sinne stolz zu sein.
DR. WERNER KREFT32369 Rahden

Artikel vom 13.10.2005