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Das Mutterhaus in Salzkotten ist jetzt auch das Zuhause der Schwesternanwärterinnen Manuela, Violetta und Johanna.

Novizin -Êoder die Geschichte vom
etwas anderen Weg ins Leben

WV-Serie »Leben im Kloster« Teil II: im Gespräch mit Postulantinnen und Novizin

Von Marion Neesen (Text und Foto)
Salzkotten (WV). Der Termin steht seit Wochen fest; genug Zeit also, sich darauf vorzubereiten. Als ich jedoch vor der Tür des Mutterhauses in Salzkotten stehe und den Klingelknopf drücke, ist der Kopf trotzdem irgendwie leer. Kein Routinetermin heute; für die WV-Serie »Leben im Kloster« steht ein Gespräch mit zwei Postulantinnen und einer Novizin auf dem Plan, um nach Wegen ins Kloster zu forschen. Ganz »junge« Schwestern also. Was werden die schon groß erzählen können. Aber wahrscheinlich werden die so verwirrt sein, dass ich bei hochgeistigen und tiefreligiösen Monologen gar nicht mehr werde folgen können. . .

Eine Ordensfrau öffnet die große Pforte und gewährt mir Einlass ins Mutterhaus. Nach einem kurzen Vorgespräch führt mich Schwester M. Hildegarde ein paar Treppen hinauf ins Noviziat. Sieht ein bisschen aus wie im Internat hier, auf einem langen Flur reiht sich eine schwere Holztür an die andere. Schwester Hildegarde geleitet mich in den Aufenthaltsraum, Kaffee und Kekse stehen schon bereit. Dann geht sie die Schwestern holen.
Von wegen »ganz junge« Schwestern, ist mein erster Gedanke als die drei Frauen herein kommen. Postulantin Manuela ist 33, Violetta 37 und Schwester Johanna 44. Sehen alle ganz »normal« aus: Schwester Johanna trägt das Ordenskleid, denn sie ist schon Novizin, die Postulantinnen sind »zivil« gekleidet. Nachdem man sich gegenseitig beäugt hat und alle mit Getränken versorgt sind, beginnt der schwierige Teil: das Gespräch in Gang bringen. Soll ich mit der brennensten Frage gleich anfangen ? Warum eigentlich nicht, denn was ich wirklich wissen will ist, wie man überhaupt auf die Idee kommen kann, ins Kloster zu gehen, in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam zu leben.
Die Frage hatten die drei erwartet, ist ja auch klar. Schließlich werden sich die Frauen diese Frage oft genug selbst gestellt haben. Von Manuela erfahre ich, dass der Weltjugendtag in Denver 1993 der Auslöser war. »Ich wollte eigentlich irgendwie in die USA und da war der Weltjugendtag eine gute Gelegenheit«, sagt die Postulantin, »dort habe ich dann Feuer gefangen.« Später sei eine gewisse Sehnsucht und innere Unruhe immer stärker geworden. »Wichtigkeiten hatten sich plötzlich verändert«, sagt Manuela. Die junge Frau aus Schloß Holte Stukenbrock fand immer öfter den Weg zu den Franziskanerinnen. »Irgendwann wollte ich dann prüfen, was dran ist an der Sehnsucht. Ich wollte herausfinden, was Gott von mir will.«
Violetta wäre am liebsten gleich nach dem Abi ins Kloster gegangen. Ihre Eltern waren aber dagegen und so studierte sie Jura und wurde Rechtsanwältin. »Ich habe mich aber nie richtig glücklich gefühlt. Ich dachte, ich könnte nur glücklich werden, wenn ich den Weg gehe, den ich von Anfang an einschlagen wollte«, erzählt die gebürtige Polin, »meine große Leidenschaft war das Reisen. Aber irgendwann war es nur noch eine Frage von Flugstunden und ich konnte überall hinkommen, wo ich wollte. Jetzt habe ich eine innere Reise angetreten.«
»Es gibt nicht so etwas wie eine Erleuchtung und man ist berufen«, erzählt Schwester Johanna von ihrem Weg ins Kloster, »es ist eher eine Summierung von Situationen. Irgendwann war ich an dem Punkt, an dem ich klären musste: ist dieser Wunsch, ins Kloster zu gehen, nur Spinnerei oder kommt das für mich in Frage -Êobwohl ich das am Anfang immer weit von mir geschoben habe. Ich dachte, das ist nur etwas für ganz Fromme. Aber etwas, das innerlich brennt, lässt einen nicht mehr los.« Ein Priester hatte es schließlich auf den Punkt gebracht: »Wenn Du heiraten würdest, würde ich fragen, wie sieht er denn aus, aber Deine Gemeinschaft hat kein Gesicht.« Bei den Franziskanerinnen fand sie dieses Gesicht.
Reaktionen bei Familie, Freunden und Arbeitskollegin waren ganz unterschiedlich. »Viele waren überrascht, aber andere haben auch gesagt Ýdamit mussten wir ja rechnenÜ - da war wiederum ich überrascht«, erzählt Schwester Johanna, »heutzutage werden viele abenteurliche Lebensformen akzeptiert, aber nicht, in einen katholischen Orden einzutreten, das verbinden viele mit nicht normal sein.«
Als die Bankfachwirtin Manuela ihren Arbeitsvertrag gekündigt hatte, haben viele gesagt »Du kommst ja doch wieder«; Violettas Mutter war dagegen, Freunde glaubten, sie spinne.
Klingt irgendwie alles gar nicht so verwirrt, denke ich. Aber das Klosterleben heißt doch vor allem Entbehrung. Schließlich standen Manuela als Bankfachwirtin, Violetta als Rechtsanwältin und Schwester Johanna als Krankenschwester und Ärztin doch mit beiden Beinen im Leben, hatten ihr Auskommen - und tauschen jetzt alles mit einem möblierten Zimmer ?
»Natürlich denke ich manchmal auch Ýach einmal wieder einfach nur auf dem Sofa liegen und lesenÜ. Aber das Sofa stellt nicht die Grundentscheidung in Frage. Krisen klären auch die Motive«, sagt Schwester Johanna und ich denke zwischendurch: Mit Schwester Johanna könnte man bestimmt nächtelang durchquatschen.
Violetta hat 17 Jahre lang allein gelebt, selbst bestimmt. Für sie ist jetzt die größte Schwierigkeit, sich anzupassen, immer wieder die Gemeinschaft zu fragen und Rücksicht zu nehmen. »Auch der strenge Tagesablauf ist hart. Früher hätte ich niemals um 12 Uhr Mittag gegessen. Wenn man aber um 6 Uhr schon aufsteht, geht das auch. Ich frage mich manchmal morgens, Ýsollst du so früh aufstehenÜ. Und dann sage ich Ýja, das mache ich für GottÜ.« Die ersten Wochen im Kloster seien für sie wie Flitterwochen gewesen, und das Gefühl sei immer noch da.
Apropos Flitterwochen, denke ich und wage mich auch an die indiskrete Frage, wie das denn eigentlich ist, so ganz ohne Männer. Alle drei lachen, die Frage hören sie nicht zum ersten Mal. Natürlich sei das auch ein Thema für sie, sagt Violetta. Viel schwieriger sei aber die bewusste Entscheidung gewesen, nie Mutter zu werden, keine Kinder zu haben. Und Schwester Johanna ergänzt: »Es ist ja keine Entscheidung gegen die Ehe, sondern für den Orden.«
Danach will ich noch wissen, wer überhaupt in den Orden hinein darf, wie lange Postulat und Noviziat dauern und was man so lernt im Noviziat ( Infokasten). Als wir dann hinunter in den Garten gehen, um ein Foto zu machen, brennen mir noch ganz banale Fragen auf der Zunge. Diese Ordenstracht, ist die nicht fürchterlich unbequem und warm ? »Och«, lacht Schwester Johanna, »dafür haben wir morgens keine Probleme vor dem Kleiderschrank. Manchmal frage ich aus Spaß auch meine Mitschwester Ýwelches nehmen wir denn heute, das braune oder das braune ?Ü«. Und Fernsehen ? Hat wenigstens jede einen Fernseher in ihrem Zimmer ? »Den vermisse ich gar nicht, ich bin abends sowieso viel zu müde«, sagt Violetta. Ebensowenig wie materielle Dinge, »die machen nicht glücklich.«
Wie ist es mit der Angst vor dem Gelübde, vor dieser Endgültigkeit ? »Der Wille Gottes schwebt ja nicht wie ein Damoklesschwert über uns, sondern soll uns den Weg ins Leben zeigen«, beruhigt mich Schwester Johanna. Als sie ins Postulat gegangen sei, habe sie sich auch gedacht »erst mal langsam, ich lege ja nicht gleich die ewige Profess ab.« Man habe ja lange genug Zeit dazu, die Lebensform für sich persönlich zu prüfen.
Als mich die Schwestern schließlich zur Pforte geleiten, war ich fast drei Stunden im Kloster und mir kommen die Gedanken in den Sinn, die ich anfangs am Klingelknopf hatte. Also, verwirrt war hier niemand. Keine weltfremden, sondern realistische, selbstbewusste Frauen habe ich getroffen, die einen Weg gehen, der eben etwas anders ist als die meisten. Zum Abschied frage ich mich, was ich ihnen wünschen soll, viel Erfolg vielleicht ? »Gottes Segen natürlich«, lacht Violetta. So einfach sind die Dinge.
In der nächsten Folge lesen Sie: »Wir sprangen über Mauern« -ÊAlt werden im Kloster

Artikel vom 19.10.2005