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Toter Baum ist noch voller Leben

Trotz Beschwerde: Stumpf an Friedrichstraße wird als Lebensraum erhalten

Werther (dh). Warum sollte man einen toten Baum, der seit Jahren weder Blätter noch Äste trägt, stehen lassen und nicht fällen? Dieser Frage sind am Dienstag die Mitglieder des Anregungs- und Beschwerdeausschusses nachgegangen.

Bereits vor Jahren hatte die Stadt Werther den Hinweis bekommen, dass die Eiche im Kurvenbereich der Friedrichstraße an der Wurzel fault. Daraufhin hat die Stadt den Baum allerdings nicht komplett gefällt, sondern lediglich alle Äste abgetrennt und den Stamm erhalten.
Im Anregungs- und Beschwerdeausschuss kam nun die Klage von Anwohnern auf den Tisch, die sich über den »Schandfleck« täglich ärgern. »Der hässliche Baumstumpf verdirbt das gesamte Bild«, haben die Eheleute Berndt in einem Brief gemeinsam mit Ruth Krumme an die Stadt geschrieben. Darüber hinaus würden dauernd Teile der Rinde auf die Straße fallen - aus Sicht der Anwohner eine Gefährdung für Radfahrer und Fußgänger. Ein neuer Baum sei sicherlich ansehnlicher.
»Wir wollten den Baum als ÝLebensraum TotholzÜ für Insekten, Vögel und Kleinsäuger erhalten«, erklärte Umweltberater Werner Schröder im Beschwerdeausschuss. Aus seiner Sicht sei die Standfestigkeit des Baumes gesichert. Es fielen auch keine Rindenteile mehr ab, so dass vom toten Baum keine Gefährdung ausgehe, betonte er. »Ich bitte darum, den toten Baum zu erhalten.«
»Bei der geringsten Gefahr sollte der gesamte Baum schleunigst abgesägt werden«, sagte Dieter Rosse (CDU). Udo Lange (SPD) nannte drei Dimensionen dieses Sachverhalts: die ökologische, die des Sicherheitsaspekts und die ästhetische. »Und die ist der Knackpunkt«, sagte er. »Vielleicht sollte man den Baum einfach in den Skulpturenpfad integrieren.«
Uwe Gehring schlug vor, dass der Umweltausschuss die drei Dimensionen abwägt (»Bevor sich aus Verzweifung noch jemand an den Baum hängt.«). SPD-Ratsherr Knut Weltlich stellte die Frage, warum ein kaputter Baum der Umwelt mehr bringen soll als ein gesunder. »Weil Totholz in der Nahrungskette immer häufiger fehlt«, erklärte Werner Schröder. »Die Entfernung toter Bäume hat eine deutliche Abnahme der Artenvielfalt zur Folge. Deswegen sollte man solche wertvollen Ökoinseln ruhig erhalten.«
Der Umweltbeauftragte selbst machte schließlich den Vorschlag, dass neben dem toten Baum an der Friedrichstraße eine Informationstafel aufgestellt wird, die die Funktion des Baumstumpfes erläutert. Schließlich handele es sich dabei um etwas Neues und Ungewohntes, sagte er. »Wenn die Bürger wissen, warum der Baum erhalten wird, ist auch mehr Verständnis da«, pflichtete ihm Magdalene Kollin (Grüne) bei. Die Politiker stimmten dem Vorschlag einstimmig zu.

Artikel vom 01.09.2005