03.09.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Das zweite Leben der Deponie
Landesgartenschau in Leverkusen schafft »Neuland«: Blumen blühen, wo einst Müll abgelagert wurde
»Neuland entdecken« lautet das Motto der Landesgartenschau in Leverkusen - und das ist wörtlich gemeint. Denn es ist wirklich »neues Land«, auf dem sich der Rheinpark erstreckt. Noch gar nicht lange ist es her, da gab es dort, wo jetzt Blumen blühen, nur stinkenden Müll und gefährliche Industrieabfälle.
Derzeit erfreuen sich jeden Tag viele Menschen an der üppigen Blütenpracht auf dem Gelände. Mehr als 400 000 Be- sucher wurden seit Eröffnung der Schau im April gezählt - mindestens 500 000 insgesamt sollen es bis zur Schließung am 9. Oktober noch werden, wenn es nach dem Willen der Veranstalter geht.
Dieses Ziel wird sicher erreicht, denn es gibt viel zu entdecken bei der Landesgartenschau, und sie ist interessant für Alt und Jung. Sie ist aufgegliedert in zwei Teile: Am Ufer des kleinen Flusses Dhünn, der an dieser Stelle in den Rhein fließt, entstand ein eher naturbelassener Park, und der Fluss wurde renaturiert (auch Lachse wurden wieder angesiedelt). Das Landesgartenschaugelände selbst ist streng architektonisch gegliedert - und lässt dennoch viel Raum für gärtnerischen Freiraum und wild wuchernde Pflanzen.
Da ist zum Beispiel der Hexengarten, in dem die Besucher einiges über Heilkräuter erfahren und darüber, was man mit ihnen machen kann. Im Wildbienengarten zeigen Naturfreunde, wie jeder in seinem Garten nützlichen Insekten Lebensraum bieten kann. Auftanken kann man im Energiegarten - dort wird gezeigt, welche Pflanzen von den Menschen zum Beispiel für die Brennstoffgewinnung genutzt werden.
Überraschende Ausblicke und schöne Hingucker in Gestalt von ungewöhnlichen Bänken, glitzernden Kugeln oder lustigen Figuren gibt es in den von Künstlern gestalteten Skulpturengärten. Wer unterwegs müde wird, entspannt im Feng Shui-Garten, der durch seine strengen Formen zur Meditation anregen soll. In den Gärten des Lebens wird über Pflanzenschutz informiert und im Seniorengarten wird gezeigt, wie sich auch ältere Menschen einen pflegeleichten und dennoch schönen Garten erhalten können. Und natürlich gibt es überall farbenfrohe Blüten - nicht nur im Rosen- und im Dahliengarten, sondern auch in den vielen leuchtend bunten Staudenbeeten. Verbunden werden die Gärten außerdem durch den »Blumenfluss«, der sich parallel zum Rhein über das Gelände zieht. Kinder hingegen haben Spaß an wunderbar grünen Weidenburgen und -höhlen, an Kletterdrachen und Klangspielen und am großen Wasserspielplatz, in dem kräftig gematscht werden darf.
Nicht immer war das Gelände so idyllisch: Jahrzehntelang hatte das direkt angrenzende Bayer-Werk das Gelände am Rheinufer genutzt, um dort seinen Müll abzulagern: Bauschutt, Hausmüll, aber auch giftige Chemieabfälle. Von 1923 bis Ende der 40er Jahre wurde das alles wahllos auf der Dhünnaue abgeladen - etwa drei Millionen Tonnen. Zwischen acht und zwölf Metern dick ist die Müllschicht.
Nach dem Krieg wurde das Gelände wie vereinbart vom Bayer-Werk an die Stadt zurückgegeben. Und die brauchte es, denn Wohnraum war allerorten knapp: In den 50er Jahren wurden Wohnhäuser auf der Deponie errichtet, ein Kanuclub und ein Restaurant. Erst in den 80er Jahren, als ein neuer Bebauungsplan aufgestellt wurde, rückte die alte Mülldeponie wieder in das Bewusstsein der Menschen und der Stadtplaner. Ein Gutachten ergab, dass die abgelagerten Stoffe noch immer gefährlich sein können - und deshalb müsse die gesamte Deponie dauerhaft abgedichtet werden. Ein schwerer Schlag für die etwa 800 Menschen, die in den Wohnungen darauf lebten - sie mussten umgesiedelt werden. Auch ein Altenheim, eine Hauptschule und ein Kindergarten, die an das Gelände angrenzten, wurden vorsorglich abgerissen.
Fünf Jahre lang, von 1995 bis 2000, wurde mit einem aufwändigen Verfahren die Altlast abgedichtet: Eine 3,6 Kilometer lange und 40 Meter tiefe Sperrwand wurde gebaut. Sie soll verhindern, dass Chemikalien in das Grundwasser gelangen können. 110 Millionen Euro kostete die Abdichtung, drei Viertel davon übernahm die Bayer AG, ein Viertel die Stadt Leverkusen.
Seit 2000 war die Altlast nun zwar abgedichtet, aber kein Baum und kein Strauch schmückten das Gelände. Die Landesgartenschau sollte deshalb Abschluss der Sanierung der Deponie und des Stadtteils sein. Aber auch das war keine leichte Aufgabe für die Planer. Eine Menge Vorgaben waren zu beachten - und damit schieden viele Dinge aus, die Gartenschauen attraktiv machen: Das Geländerelief durfte nicht verändert werden, größere Wasserflächen konnten nicht angelegt und tiefwurzelnde Bäume nicht gepflanzt werden, außerdem durften keine größeren Bauwerke entstehen.
Das Architekturbüro Rüdiger Brosk aus Essen war es schließlich, das alle Vorgaben am besten umsetzen konnte. Es gewann den Wettbewerb und gestaltete das »Neuland«. Anregungen dazu gibt es bei der Landesgartenschau übrigens auch für jeden Gartenbesitzer. Kleine Hausgärten zeigen, wie ein Wellnessgarten zur Erholung angelegt werden kann, ein Spiel- und Erlebnisgarten für Kinder, ein Grillgarten für gelungene Sommerpartys oder ein schick durchgestylter Garten zum Vorzeigen - das ganz private Stück »Neuland« eben. Corinna Strate

Artikel vom 03.09.2005