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Als Castro den Papst um den Ausweis bat

Englisch: Internes aus dem Vatikan

Von Rainer Maler (Text und Foto)
Paderborn (WV). Der viertägige Besuch von Papst Benedikt XVI. anlässlich des Weltjugendtags auf dem Marienfeld in Köln hatte etwas vom Auftritt eines Popstars. Der Papst als zeitgenössisches Idol für junge Menschen, umjubelt, verehrt. »Habemus Papam«, die Verkündungsformel der katholischen Kirche nach der Wahl eines neuen Papstes, wählte Andreas Englisch auch als Titel für sein neues Buch.

Worin liegt die Faszination des Papstes? Antworten und einen Blick hinter die Kulissen des Vatikan ermöglichte anlässlich einer von der Buchhandlung Linnenmann organisierten Lesung der Literaturwissenschaftler und Journalist Andreas Englisch in der Aula der St. Michael-Schulen. Er habe keine Ahnung von Theologie, spreche für keine Institution, son-dern habe nur ein Buch über den »Personalwechsel« im Vatikan geschrieben. Päpste hätten es schwer, sie müssten in ihre Aufgabe hineinwachsen, schließlich könnten sie ihre Vorgänger nicht um Rat fragen, und für ihn stehe außer Frage, dass der erste »polnische Papst« ein Jahrhundertmann war.
Englisch, seit 1987 Italien-Korrespondent verschiedener Zeitungen aus dem Springer Ver-lag, begleitete Johannes Paul II. im Vatikan und auf seinen Reisen rund um den Globus. So schilderte er eindrücklich, was in den letzten Mo-naten vor dem Tod des Papstes wirklich ge-schah. Seine Biografie »Johannes Paul II. Das Geheimnis des Karol Wojtyla« (2003) stand monatelang auf den Bestsellerlisten, »Der stille Gott der Wölfe« (1995) hieß sein erster Roman. Andreas Englisch hat sich schon immer für die katholische Kirche und ihre Welt voller verborgener Geheimnisse interessiert. Er ist zu einem profunden Kenner des Vatikans geworden und will aus seiner subjektiven Sicht mit Vorurteilen vom Prunk im Vatikan aufräumen. In seinen lebhaften Erzählungen und Anekdoten von Begegnungen mit den Päpsten, Freundschaften mit Kardinälen und Mitarbeitern im Vatikanstaat beschreibt Englisch eine Institution, die von Offenheit, Menschenliebe und Friedenshoffung geprägt scheint.
Johannes Paul II sei ein bescheidener Mann mit Visionen gewesen, der manchmal durch die Wand wollte, aber immer den Menschen und insbesondere die Jugend im Blick hatte. Worauf die Wirkung des Papstes auf die Menschen beruhe, wie er das schaffe, Millionen zu mobilisieren, habe er sich gefragt. Ein junger Mann habe ihm geantwortet: Der Papst will nichts verkaufen, er will nicht wiedergewählt werden, er ist einfach da, steht für das, woran er glaubt.
Die mehr als 400 Zuhörer zog Englisch mit seinen Geschichten sofort in den Bann. Mit Selbstironie berichtete er absurde Geschichten, vom Raub in Brasilien und von der Passkontrolle für den Papst in Kuba. Vielleicht hat er die journalistische Distanz zu seinem Gegenstand »Papst« etwas verloren, auch seine Konversion vom Papstkritiker zum Bewunderer verhehlt er nicht, doch spannend erzählen kann er allemal.

Artikel vom 26.08.2005