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Büchernotstand
in Bibliotheken

60 Millionen Schriften gefährdet

Berlin (dpa). Schätzungsweise 60 Millionen Schriften sind in Deutschland vom Verfall bedroht. Ein Jahr nach dem verheerenden Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar soll ein Aktionstag am 2. September auf die Gefährdung des nationalen Kulturguts aufmerksam machen.

Daran nehmen 70 Bibliotheken und Archive teil, kündigte Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) gestern in Berlin an. Literaturnobelpreisträger Günter Grass entwarf für die »Aktion Lesezeichen« ein kostenloses Lesezeichen mit einer »Rättin«. Weiss erinnerte an den Brand, der vor einem Jahr den Rokokosaal der einst von Goethe geleiteten Bibliothek und 62 000 Bände stark beschädigte und sowie 50 000 weitere vernichtete.
Als Lehre aus dem Feuer forderte Weiss, mehr in Prävention und Risikoanalyse zu investierten, um bundesweit Bücher zu erhalten. Allein im Raum Berlin-Brandenburg seien 40 Prozent aller Schriften beschädigt, berichtete Claudia Lux, Generaldirektorin der Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Es fehle auch an Personal und Geld für die Bestandserhaltung.
Die Direktorin der Deutschen Bücherei Leipzig, Birgit Schneider, sprach von einem »Wettlauf gegen die Zeit«. Allein in ihrem Haus sei die Hälfte der 10 Millionen Bände beschädigt. Hauptproblem seien die Schäden durch saures Papier, das im 19. Jahrhundert verwendet wurde. Aber auch Tintenfraß, Verschleiß und Schimmel gefährdeten die Bücher.
Der etwa zwölf Millionen Euro teure Aufbau in Weimar hat bereits begonnen. 2007 soll die Bibliothek wiedereröffnet werden. Zehn Prozent der Bände stehen bereits als »erste Erfolge« wieder im Bestand, wie Bibliotheksdirektor Michael Knoche berichtete. 35 000 Schriften werden derzeit in Ausweichmagazinen nach Schäden klassifiziert, 20 000 werden noch gefriergetrocknet. Die Restaurierung und Wiederherstellung der Bestände wird zwei Jahrzehnte dauern und 67 Millionen Euro kosten. An Spenden kamen bislang 10 Millionen Euro zusammen.

Artikel vom 24.08.2005