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Nachmittags-Schule ist ein Renner

Zwei Jahre offene Ganztagsschule an der Grundschule Nordhorn - Erfahrungen

Gütersloh (WB). Ab kommenden Montag bieten sieben neue Gütersloher Grundschulen Nachmittags-Betreuung an. Die Grundschule Nordhorn hat bereits zwei Jahre Erfahrung mit diesem Angebot. WB-Redakteur Stephan Rechlin fragte bei Schulleiterin Irene Albers nach, worin genau der Unterschied zum Nachsitzen liegt.

Wer früher über Mittag hinaus in der Schule bleiben musste, wurde damit bestraft. Was ist heute anders?
Irene Albers: Wer heute unser Ganztagsangebot zwischen 7.30 und 16 Uhr wahrnimmt, muss über Mittag nicht in meinem Büro sitzen und hundertmal schreiben: »Ich darf im Unterricht nicht stören.« Die Kinder können freiwillig bleiben, gemeinsam mit uns zu Mittag essen und anschließend an einem ausgefeilten Förder- und Freizeitangebot teilnehmen. Jede Ganztags-Klasse hat zusätzlich zu ihrem Lehrer eine weitere sozialpädagogische Fachkraft. Sie begleitet die Kinder vom Vormittag bis zum Schulschluss. Am Nachmittag können die Kinder zum Beispiel Englisch, Französisch oder Russisch lernen, sie können auf Instrumenten wie Flöte, Keyboard und Akkordeon üben oder Fußball und Badminton spielen, tanzen, kämpfen und ringen.

Und was ist mit den Hausaufgaben?
Albers: Nach dem Mittagessen legen wir eine Reflexionsphase ein. Dann wird das am Vormittag im Unterricht behandelte Thema wiederholt und das Hausaufgabenheft hervor geholt. Unsere pädagogischen Fachkräfte bereiten sich gemeinsam mit den Lehrern auf die Arbeit am Nachmittag vor. So können die Angebote des Nachmittags an die Lerninhalte die Vormittags anknüpfen. Die Kinder erleben einen in sich geschlossenen, sinnvollen Tag.

Dafür werden die Eltern kräftig zur Kasse gebetenÉ
Albers: Der Elternbeitrag zur offenen Ganztagsschule ist nach Einkommen gestaffelt, wie im Kindergarten. Die Bandbreite der Beiträge liegt zwischen 30 und 100 Euro im Monat, durchschnittlich werden 60 Euro gezahlt. Hinzu kommen 40 Euro im Monat für das Mittagessen. Dafür können die Eltern sicher sein, dass ihre Kinder etwas Vernünftiges zu essen bekommen, nach ihren individuellen Anlagen und Wünschen gefördert werden und nicht daheim vorm Fernseher sitzen oder sich herumtreiben.

Wieviele Eltern nehmen dieses Angebot wahr?
Albers: Vor zwei Jahren sind wir mit etwa 50 Kindern in zwei Klassen gestartet. Mit Beginn des neuen Schuljahrs nehmen 111 Schüler teil, die wir auf fünf Klassen verteilen. Die Schule am Nachmittag ist ein Renner. Am vergangenen Montag warteten zwei Mütter vor der verschlossenen Tür auf mich, um ihre Töchter für den Nachmittag anzumelden. Ihre Kinder hatten sie dazu gedrängt. Sie möchten auch mit allen gemeinsam Mittag essen und dann etwas Sinnvolles und Interessantes erleben statt alleine zu Hause zu sitzen.

Wie ist die Zahlungsmoral? Muss die Schule Mahnungen versenden?
Albers: Die Elternbeiträge werden von der Stadt erhoben. Darüber bin ich ehrlich gesagt sehr froh. Ob Mahnungen verschickt werden müssen, weiß ich nicht. Die Beiträge zum Mittagessen sammelt unser Förderverein ein. Im vergangenen Jahr gab es dabei unter 85 Anmeldungen zwei bis drei schwierige Fälle.

Wieviel Geld versickert in der Verwaltung der offenen Ganztagsschule?
Albers: Kein einziger Cent. Das liegt an der sicher einmaligen Konstellation an unserer Schule. An der Grundschule Nordhorn hat der Förderverein die komplette Organisation des Nachmittags-Angebotes übernommen. Er hat die fünf zusätzlichen Fachkräfte und vier Teilzeitkräfte eingestellt, kümmert sich um Anschaffungen und inhaltliche Angebote. Alles in allem bewegt der Förderverein damit ein Volumen in Höhe von 300 000 Euro. Die Verwaltung übernimmt er ehrenamtlich. Nur Kassen- und Steuerprüfung sind einem professionellen Steuerbüro überlassen.

Am Montag nehmen sieben neue Grundschulen das Angebot auf. Was raten Sie Ihren Kollegen?
Albers: Ein Konzept ist gut und wichtig, es muss aber nicht eins zu eins umgesetzt werden. Viele Startprobleme sind im täglichen Gespräch und mit ein wenig Flexibilität lösbar.

Artikel vom 20.08.2005