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Tödlicher Streit
um Schulden

Leibwächter (44) legt Geständnis ab

Von Christian Althoff
Rheda-Wiedenbrück (WB). Ein Leibwächter aus Rheda-Wiedenbrück hat am Freitag vor Gericht gestanden, seinen Auftraggeber erschossen zu haben. Bei dem Opfer handelt es sich um Nikolaj B. (45) aus Oelde, der als mutmaßlicher Boss einer der größten Schleuserbanden Deutschlands galt.

Nikolaj B. soll mehrere Scheinreisebüros betrieben haben. Mit der Behauptung, er organisiere für Ukrainer Gruppenreisen durch Deutschland, soll er 16 000 Menschen gegen jeweils 500 US-Dollar zur illegalen Einreise verholfen haben. Die Ukrainer fuhren weiter nach Italien, Spanien und Portugal, wo sie oftmals als Schwarzarbeiter untertauchten.
Nachdem die Kripo Nikolaj B. auf die Spur gekommen war, sollte er sich am 4. November 2004 vor dem Landgericht Münster verantworten. Als er nicht erschien, nahm die Staatsanwaltschaft an, er sei geflohen. Dabei lag er bereits seit 24 Stunden tot in einem Baggersee bei Beckum - erschossen von seinem Leibwächter.
»Er hatte mich im August vergangenen Jahres als Bodyguard engagiert«, sagte Gregor Z. (44) am Freitag vor dem Landgericht in Münster., wo er wegen Totschlags angeklagt ist. Z. war 1995 mit Ehefrau und zwei Kindern aus Kirgisien nach Deutschland übergesiedelt. Während seine Frau eine Stelle bei Bertelsmann fand, eröffnete der Kraftsportler (»Ich stemme 170 Kilogramm «) in Harsewinkel das Ein-Mann-Sicherheitsunternehmen »G & M Security«.
»Nikolaj B. beauftragte mich als Leibwächter, weil er und seine Familie massiv bedroht wurden«, berichtete der 44-Jährige. »Nikolaj schuldete irgendwelchen Leuten große Summen, und die Gläubiger verstanden keinen Spaß.« Aus welchen Geschäften die Verbindlichkeiten stammten, wisse er aber nicht, sagte der Angeklagte. Gregor Z. hatte seinen Auftraggeber damals zu Geschäftsterminen begleitet und war immer wieder bei dessen Familie vorbeigefahren, um nach dem Rechten zu sehen.
Als der Leibwächter im November 2004 nachts von einem dieser Einsätze nach Hause fuhr, habe ein Fremder seinen Mercedes auf einen einsamen Parkplatz dirigiert. »Dort saßen vier gutgekleidete Russen in einem schwarzen VW-Bus mit Hamburger Kennzeichen. Sie sagten, sie wüssten, wo sie meine Kinder und meine Frau finden könnten«, erzählte der Angeklagte und fuhr aufgebracht fort: »Die Männer behaupteten, Nikolaj habe zu ihnen gesagt, ich hätte das ganze Geld!« Er habe die Gläubiger besänftigen können und um einen Tag Zeit gebeten, um die Wahrheit zu beweisen. »Ich bin zu Nikolaj ins Büro gefahren und habe ihn aufgefordert, die Sache gegenüber seinen Gläubigern sofort klar zu stellen. Ich hatte Angst um meine Familie!« Doch Nikolaj B. habe sich geweigert und plötzlich eine Pistole aus dem hinteren Hosenbund gezogen. »Er zielte auf mich. Da habe ich ihm die Pistole entwunden.« Es sei zu einem Handgemenge gekommen, bei dem sich ein Schuss gelöst und Nikolaj B. getroffen habe. »Da habe ich noch mal auf ihn geschossen. Und wieder und wieder«, gab der Angeklagte zu.
Die Leiche des Geschäftsmannes schaffte Gregor Z. an einen Baggersee, wo sie im Februar entdeckt worden war.
Bis heute ist ungeklärt, in welche Geschäfte außer der Schleusertätigkeit Nikolaj B. noch verstrickt gewesen war. Die Polizei hatte ihn einmal im Verdacht, im großen Stil Drogen zu importieren, konnte das aber nicht beweisen.
Das Urteil gegen Gregor Z. wird am 21. September gesprochen.

Artikel vom 20.08.2005