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Mignon ließ die Donner grollen

Berührende Aufführung mit Musik und Text

Von Matthias Lüke
Dalheim (WV). »Sie heißen mich Mignon« nennt sich das Werk des Komponisten und Interpreten zeitgenössischer Musik, Jörg-Peter Mittmann, das Freitagabend im Neuen Schafstall des Kloster Dalheims unter sehr großer Begeisterung des Publikums aufgeführt wurde.

Als literarisches Fundament dieser Gesamtkomposition aus Musik, Gesang und Sprache dient Goethes Roman »Wilhelm Meisters Lehrjahre«, wobei inhaltlich die unergründliche sowie rätselhafte Figur der Kindfrau Mignon im Mittelpunkt steht. Der Neue Schafstall erwies sich durch seine rustikale Atmosphäre für die Aufführung dieses Stückes ganz besonders geeignet; er war zwar nur spärlich besetzt, doch das Auditorium von etwa 40 Zuhörern erlaubte eine wahrhaftig intensive Darbietung in familiärem Rahmen. Man konnte die viel zitierte Stecknadel fallen hören - eine wunderbare Vorraussetzung, um sich akustisch ganz der Aufführung hinzugeben.
Sprachlich umgesetzt wurde das Mignon-Projekt von ausgebildeten Sprechern der Studiobühne Paderborn: Christina Seck übernahm den Part der Mignon und Andreas Dierkes den des Wilhelm, während Verena Arnold sowie Dalheim-Intendant Wolfgang Kühnhold als hervorragende Erzähler mit ausdrucksstarken Stimmen durch den Abend führten. Musikalisch eingerahmt wurde der sprachliche Teil durch Kompositionen Mittmanns sowie Hugo Wolfs, gespielt von dem 1990 in Detmold gegründeten und mittlerweile renommierten »Ensemble Horizonte«, besetzt mit Querflöte, Oboe, Harfe, Violine, Viola und Violoncello.
Mittmanns vielseitige zeitgenössische Kompositionen schafften es, den geheimnisvollen Nebel rund um Mignon noch dichter werden zu lassen und diese Spannung durchweg aufrechtzuerhalten. Extravaganz erfuhr die Musik immer wieder mit Hilfe unkonventioneller Geräusche, erzeugt durch ein Instrumentarium à la John Cage. Einen abwechslungsreichen Kontrast dazu boten mehrere eingeflochtene Mignon-Vertonungen Hugo Wolfs wie beispielsweise das sehr bekannte Lied »Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?«, mit denen Gerhild Romberger durch wunderbar expressiven Gesang, begleitet von Jan Gerdes am Klavier, gefiel.
Überhaupt harmonierten Sprache und Musik ausgezeichnet und zerflossen zu einer innigen Einheit. Selbst die Natur trug ihren Teil zu dieser erfolgreichen Darbietung bei. Nahm man doch nach dem Tode der Mignon in einer absolut stillen Pause ein leichtes Donnergrollen von draußen wahr. Mit eineinviertel Stunden war die zeitliche Länge der Aufführung äußerst passend bemessen, wodurch das Stück kompakt und zu keiner Zeit langatmig anmutete. Vierzig begeisterte Zuhörer verließen nach lang anhaltendem Applaus bereichert den Ort des Geschehens.

Artikel vom 22.08.2005