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»Mit 180 Euro plus kann man wirtschaften«

Acht Monate nach dem Start von Hartz IV - ARGE-Leiterin zieht positive Zwischenbilanz


Von Jörn Petring
Bünde (BZ). Ein Begriff, viele Emotionen: Hartz IV. Das Konzept: Mit der vierten Stufe der Arbeitsmarktreform wurden Sozialämter und Arbeitsagenturen zusammengelegt. Unter dem Slogan »Fördern und Fordern - unter einem Dach aus einer Hand«, sollten Langzeitarbeitslose mit Instrumenten wie Arbeitslosengeld II und so genannten Ein-Euro-Jobs wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Wie sieht acht Monate nach Inkrafttreten von Hartz IV die Situation in Bünde aus?
Agentur für Arbeit, Borriesstraße 8. Im zweiten Stock, Zimmernummer 24, sitzt Ursula Obereiner an ihrem aufgeräumten Schreibtisch. Die Teamleiterin der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit in Bünde und Rödinghausen hat mit 22 Mitarbeitern Ordnung in die am 3. Januar gestartete ARGE gebracht. »Wir waren ein zusammen gewürfelter Haufen. In den ersten Tagen waren wir hauptsächlich damit beschäftigt, Organisationsstrukturen zu schaffen«, erinnert sie sich. Das Gesetz sah vor, eine Arbeitsgemeinschaft aus Mitarbeitern der örtlichen Sozialämter sowie der Agentur für Arbeit zu schaffen. Während es auf Bundesebene noch heute viele Landkreise gibt, in denen die Zusammenarbeit nicht funktioniert, waren sich die verantwortlichen Stellen im Kreis Herford schnell einig. Das neu geschaffene Team soll Arbeitslose, die teilweise bis zu zehn Jahren keiner Arbeit mehr nachgegangen sind oder in eine Schuldenfalle geraten sind, durch individuelle Betreuung wieder fit für den Arbeitsmarkt machen.
Neben drei Vermittlern kümmern sich in Bünde vier Fallmanager um die Empfänger des Arbeitslosengeldes II (ALG II). Um Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, wurden zusätzlich ein Fallmanager sowie zwei Vermittler für das Team U 25 abgestellt. Diese Mitarbeiter konzentrieren sich voll und ganz auf die Betreuung und Vermittlung von jungen Arbeitslosen. »Im U 25 Team können wir die geforderte Quote von 75 zu betreuenden Personen für einen Mitarbeiter einhalten«, berichtet Obereiner. Für die Gesamtzahl der ALG II-Empfänger ist das allerdings auch in Bünde Utopie. Das Team betreut zurzeit 1717 Klienten. »Anfangs sahen wir kein Licht am Ende des Tunnels. Es kamen immer mehr Anfragen und Anträge, die abgearbeitet werden mussten. Mit der Zeit haben wir uns auf die Situation einsgestellt und haben nun einen Überblick.«
Für die Teamleiterin steht fest, dass die Arbeit der ARGE ein Schritt in die richtige Richtung ist: »Es ist vernünftig, mit den Klienten zu arbeiten. Unsere Aufgabe ist es, Arbeitssuchende zu beraten und Arbeit zu vermitteln, wir führen sie wieder an den Arbeitsmarkt heran. Wir können keine Arbeitsplätze schaffen, das ist Aufgabe der Wirtschaft.«
Thema Ein-Euro-Jobs: »Nein, wir nennen das Arbeitsgelegenheiten«, wirft Obereiner ein. Das seien »Zusatzjobs«, bei denen die Arbeitsfähigkeit von Langzeitarbeitslosen wieder hergestellt werden soll. Und zwar in Tätigkeiten, die einen gemeinnützigen Zweck haben und keinen regulären Job vernichten. Obereiner: »Um sicher zu gehen, dass keine Arbeitsplätze auf dem regulären Arbeitsmarkt verdrängt werden, wurde im Kreis Herford die Chance GmbH beauftragt, Jobs zu gestalten und zu vermitteln, bei denen es sich ausschließlich um zusätzliche Tätigkeiten handelt. Die Mitarbeiter der gemeinnützigen Beschäftigungsförderungsgesellschaft, eine Tochter des Kreises Herford, vermittelt Arbeitsplätze zwischen ARGE und Trägern«. Zuvor entscheide ein 30-köpfiges Gremium, ob die Arbeiten gemeinnützig sind und keine regulären Arbeitnehmer verdrängt.
Pro Stunde wird eine »Mehraufwandsentschädigung« von einem Euro 50 gezahlt. Bei 30 Wochenstunden sind das 180 Euro monatlich, die auf die 345 Euro ALG II aufgeschlagen werden. Miete und Heizung werden ebenfalls bezahlt. »Damit kann man wirtschaften«, meint Obereiner.
Wer eine Arbeitsgelegenheit nicht wahrnimmt, muss mit Sanktionen wie der Kürzung des Arbeitslosengeldes rechnen. »Auch das ist schon vorgekommen. Wir treffen Eingliederungsvereinbarungen. Werden die nicht eingehalten, muss gehandelt werden«. Die Betreuten wollten durchaus arbeiten: »Wir können gar nicht so viele Arbeitsgelegenheiten anordnen, wie nachgefragt werden. Eher versuchen wir, Jobsuchende in eine 400 Euro Tätigkeit zu bringen«.
Morgige Ausgabe: Bericht über einen »Ein-Euro-Jobber«

Artikel vom 19.08.2005