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Verzicht auf Marburg wäre Sünde

Interview mit Ludger Kaup, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion in Gütersloh

Kreis Gütersloh (WB). Ein Fiasko vermag der CDU-Fraktionsvorsitzende Ludger Kaup in der Planung des interregionalen Gewerbegebietes an der Marburg nicht zu erkennen. Ein Fiasko wäre für den erfahrenen Immobilienkaufmann vielmehr, wenn das Projekt scheitern würde. »Das wäre eine Sünde an nachfolgenden Generationen«, sagt er im Gespräch mit mit WESTFALEN-BLATT-Redakteur Stephan Rechlin.

Würden Sie einem Ihrer Kunden derzeit raten, Anteile an der Marburg GmbH zu erwerben?
Ludger Kaup: Die Marburg GmbH ist ein Zusammenschluss dreier Kommunen zur Entwicklung und Vermarktung einer Gewerbefläche an der A 2. Sie ist keine Aktiengesellschaft, an der jemand beliebig viele Anteile erwerben kann. Ich würde aber jede interessierte Kommune im Kreis Gütersloh dazu ermuntern, sich an der Marburg GmbH zu beteiligen.

Tatsächlich? Nach dem Herbstreit-Gutachten ist das Projekt doch wirtschaftlich tot.
Kaup: Unsinn. Das Gutachten ist im Auftrag der GmbH entstanden und stellt das für die drei Kommunen ungünstigste Szenario dar. Es ist völlig legitim, so zu planen. Ich würde nun gerne einmal ein Gutachten darüber lesen, welche Chancen die Marburg den drei beteiligten Kommunen und auch der Region eröffnet. Dabei würde es langfristig auf eine deutlich schwarze Zahl hinauslaufen, da bin ich mir sehr sicher.

Welche Chancen rechtfertigen das vom Gutachten errechnete Risiko?
Kaup: Die Aussicht auf drei bis viertausend neue Arbeitsplätze allein auf der Marburg. Millionenschwere Investitionen über eine Dauer von zehn, zwanzig Jahren. Dazu die von den neuen Unternehmen ausgehenden Folgeaufträge an weitere Firmen im Kreis Gütersloh. Von der Marburg profitiert eine ganze Region, nicht nur die Marburg GmbH. Und ob die Risiken tatsächlich so dramatisch ausfallen, steht ja längst noch nicht fest.

Was heißt das?
Kaup: Das Gutachten basiert auf Annahmen und Standards, die zur Zeit überprüft werden. Ich glaube, in der vorliegenden Kalkulation sind noch erhebliche Reserven.

Der Bund der Steuerzahler warnt vor einer gigantischen FehlplanungÉ
Kaup: Mich würde interessieren, auf welcher Grundlage der Bund der Steuerzahler sein Urteil fällt. Vermutlich wird er sich nicht zu den Planungs-, sondern nur zu den Finanzfragen äußern. Da kann ich die Fehlplanung beim besten Willen nicht erkennen. Falls der Kreis das Areal nicht verkauft, bleibt er auf einer landwirtschaftlichen Fläche hängen, die vielleicht einmal 2,50 Euro pro Quadratmeter bringen wird. Gegenüber der geplanten Vermarktung als Gewerbegebiet entstünde damit ein Verlust von gut sieben Millionen Euro. Was würde der Steuerzahler-Bund dazu sagen?

Wie soll ein Bürgermeister seinem Rat erklären, dass er mit einem Projekt bis zu acht Millionen Euro Verlust in 20 Jahren riskiert, auch wenn alles gut geht?
Kaup: Die Kommunen stünden heute nicht da, wo sie stehen, wenn sie vor zwanzig oder dreißig Jahren nicht ebenfalls in Vorleistung getreten wären. Oelde, Rheda-Wiedenbrück und Herzebrock-Clarholz sind Risiken eingegangen und dafür belohnt worden. Wir können von Unternehmern keine Investitionen erwarten, wenn wir uns selber immer nur vorsichtig und zaghaft verhalten. So kommen wir nie aus der gegenwärtigen Malaise heraus.

Die Grünen warnten von Beginn an vor den Kosten des Projektes. Sind sie nicht voll bestätigt worden?
Kaup: Die Warnung vor den Folgekosten des Projektes war nur ein Nebenaspekt ihrer Argumentation. Vor allem ging es ihnen um die Landschaft. Doch Landschaft wird auch verbraucht, wenn Gewerbegebiete an anderer Stelle in den Kommunen entwickelt werden. Und Straßen und Kanäle kosten dort ebenso viel Geld wie auf der Marburg. Nur dass die Vermarktungschancen an der A 2 deutlich höher sind als etwa in Pixel.
Investitionswillige Unternehmen suchen die Nähe gut erschlossener Verkehrswege und wollen auch dem Ärger aus dem Wege gehen, der durch die Nachbarschaft zu Wohngebieten entsteht. Das können wir ihnen an der A 2 bieten. Wenn sie solch einen Standort nicht im Kreis Gütersloh finden, dann ziehen sie eben weiter, in Richtung Dortmund oder Hannover.

Die Realisierung des Projektes wird davon abhängen, auf welche Summe vom Kaufpreis der Kreis verzichten könnte. Wo liegt Ihre Schmerzgrenze?

Kaup: Keine Ahnung. Die Verwaltungen prüfen derzeit die Kalkulationen und Verträge. Wenn das abgeschlossen ist werden wir im Kreistag unter Würdigung der Chancen und Risiken eine Entscheidung treffen.

Artikel vom 19.08.2005