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Notkonzept gegen Vogelgrippe

Kreisgesundheitsamt stellt sich auf den Übergriff des Virus auf Menschen ein

Von Wolfgang Braun
und Harald Iding (Foto)
Höxter (WB). Eine Horrorvision: Der aggressive Vogelgrippevirus greift auf den Menschen über. Seuchenexperten schließen diese Entwicklung derzeit überhaupt nicht aus. Auch im Kreis Höxter stellen sich der Verantwortlichen auf diese Möglichkeit ein.

»Das Risiko ist derzeit so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr«, schätzte Reinhard Kurth, Präsident des Robert-Koch-Instituts, jetzt in einem Interview mit einer großen deutschen Tageszeitung die Gefahr ein, dass der Vogelgrippevirus sich verändert und von Mensch zu Mensch übertragen wird. Er warnte zwar vor »unverantwortlicher Panikmache«, aber kritisierte gleichzeitig scharf, dass die vorausschauende Krisenplanung von Bund und Ländern völlig unzureichend sei.
»Es ist zu befürchten, dass sich nach einer Veränderung des Erregers die Tödlichkeit des Vogelgrippevirus mit einer raschen Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch kombinieren«, meint Dr. Ronald Woltering, Leiter des Kreisgesundheitsamtes. Auch er hält den Ausbruch einer weltumspannenden Grippeepidemie, einer Pandemie, mit weltweit vielen Millionen Toden in absehbarer Zeit für sehr wohl denkbar. Nach dem 1. Weltkrieg seien rund um den Globus viele Millionen Menschen an der Spanischen Grippe gestorben, viele Tote habe auch eine kleinere Grippewelle in den fünfziger Jahren gefordert. »Die größere Mobilität heute verschärft die Gefahr noch«, so der Amtsarzt.
Viele Fachleute sind davon alarmiert, dass die Vogelgrippe schon unter Geflügelbeständen diesseits des Urals in Russland wütet und eine Übertragung des H5N1-Virus durch Wildvögel aus kalten Ländern ab September befürchtet wird.
»Vom Land NRW kommt nichts«, beklagt auch Woltering, die Tatsache, dass in der Bundesrepublik bislang zu wenig Vorsorge für den Fall getroffen wurde, dass der Virus sich auch unter Menschen ausbreiten kann. »Erst jetzt beginnt die Landesregierung virenhemmende Medikamente, so genannte Neuraminidase-Hemmer, zu ordern«, hat er in Erfahrung gebracht.
Der Kreis könne aber nicht darauf warten, bis das Land aktiv werde. Als »handgestrickt« bezeichnete Dr. Woltering den Plan für ein Vorgehen bei Vogelgrippe-Krankheitsfällen: »Die Strategie orientiert sich dabei an Katastrophenschutz-Konzepten, die 2003 für befürchtete Pockenepidemien nach Terrorangriffen entwickelt und geübt wurden.«
Da sei die Isolierung und Behandlung der Kranken ebenso durchgespielt worden wie die Verteilung der wenigen Medikamente. »Geklärt wurde, wer mit den auch jetzt zu knappen Arzneimitteln zuerst behandelt wird: Es wird das Feuerwehr-, Rettungs- und Krankenhauspersonal sein, das die medizinische Infrastruktur aufrecht erhalten muss«, so der Amtsarzt.
Weil es noch keinen Impfstoff gegen Vogelgrippe bei Menschen geben kann, empfiehlt Woltering, das Angebot der allgemeinen Grippeschutzimpfung zu nutzen. Sie werde ab Anfang Oktober jährlich mit neu entwickelten Seren durchgeführt. »Einen gewissen Mitschutzeffekt von etwa zehn bis 15 Prozent gegen Vogelgrippe hat diese Impfung allemal«, weiß der Mediziner.
Die Tierärztin beim Kreis, Dr. Beate Schäfer-Aufenanger, erinnerte gestern in einer Pressemitteilung noch einmal daran, dass jetzt im Zuge der amtliche Vorsorgemaßnahmen gegen eine Ausbreitung der Vogelgrippe bei Tieren alle Geflügelbestände unter Angabe des Standortes, der Anzahl und der Nutzungsart beim Veterinärdienst des Kreises Höxter (% 05271-965268, Fax: 05271-965273) gemeldet werden müssen. Und: »Der Erreger der Vogelgrippe kann unbeabsichtigt eingeschleppt werden. Reisenden ist es deshalb verboten, aus Russland und aus asiatischen Ländern Geflügel oder andere Vögel, Geflügelfleisch, Eier und andere Produkte vom Geflügel sowie Federn oder unbehandelte Jagdtrophäen in die Europäische Union einzuführen«, betont sie.

Artikel vom 19.08.2005