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»Junge Menschen sind noch formbar«

HK-Interview mit Friedrich Waldmann - neuer Leiter der Justizvollzugsanstalt Herford

Herford (ram). Er ist der Chef von 221 Bediensteten, die die 380 Insassen der Justizvollzugsanstalt Herford an der Eim-terstraße beaufsichtigen und betreuen. Als neuer Leiter der JVA kehrt Friedrich Waldmann (49) an seine alte Wirkungsstätte zurück. Waldmann war von 1989 bis 1995 stellvertretender Anstaltsleiter in Herford, bevor er die Leitung der JVA in Detmold übernahm. In den zehn Jahren seiner Abwesenheit hat sich viel an der Eimterstraße verändert. Die Umbaumaßnahmen, die seit 1998 laufen, werden im kommenden Jahr abgeschlossen sein. Über seine Ziele, Konzepte und die ersten Beobachtungen an seinem neuen Arbeitsplatz sprach der 49-Jährige mit HK-Redaktionsleiter Ralf Meistes.

Herr Waldmann, haben Sie nach zehnjähriger Abwesenheit die JVA Herford noch wieder erkannt?
Friedrich Waldmann: Ich habe auch in den vergangenen Jahren den Kontakt zur JVA Herford gehalten. Selbstverständlich hat sich baulich hier einiges verändert. Ich finde, dass sich die neuen Gebäudeteile optisch gut in die alte Bausubstanz einfügen. In der Bäckerei und im Werkstattbereich sind deutliche Verbesserungen zu erkennen. Auch technisch hat sich einiges verändert, wobei nicht alle JVA-Mitarbeiter in diesem Bereich von einer Verbesserung sprechen.

Inwiefern?
Friedrich Waldmann: Das Gebäude ist heute nicht mehr so offen. Früher konnte ein Vollzugsbeamter, der in der dritten Etage seinen Dienst versah, auch hören und beobachten, was zwei Etagen unter ihm geschah.
Das gab den Beamten ein Gefühl der Sicherheit. Heute ist jede Abteilung in sich geschlossen. Zwar wird jeder Gang mit Kameras überwacht und die Kollegen tragen Personenschutzgeräte (eine Art Funkgerät, Anmerkung d. Red.), dennoch gibt es einige Mitarbeiter, die die offenere Bauweise bevorzugen. Die Arbeit ist anonymer geworden, die Kollegen treffen nicht mehr so häufig aufeinander.

Sie waren auch in Detmold Leiter der JVA. Warum der Wechsel nach Herford?
Friedrich Waldmann: Weil ich Spaß am Jugendvollzug habe. Bei jungen Strafgefangenen erlebt man Freude und Ärger noch direkter, da wird nicht so viel taktiert als beispielsweise bei älteren Insassen. Junge Menschen sind noch formbar, es lässt sich mehr bewegen.

Kommen Sie mit neuen Konzepten nach Herford?
Friedrich Waldmann: Es gibt das ein oder andere, was ich hier umsetzen möchte. Beispielsweise gibt es in Herford bereits eine gute Behandlungsabteilung. Ich würde gerne eine sozialtherapeutische Abteilung aufbauen. Eine derartige Gruppe hatten wir auch in Detmold und es hat sehr gut funktioniert. Ziel ist es, Gefangene, die besonders schwere Gewalt- oder Sexualdelikte begangen haben, zu therapieren, damit sie bei Haftentlassung nicht wieder rückfällig werden. Es gibt spezielle Behandlungsmethoden durch die die Gefangenen beispielsweise lernen, in Extremsituationen besonnen zu reagieren.

Für eine gelungene Resozialisierung ist es wichtig, dass die Gefangenen nach der Haft eine Wohnung und im Idealfall eine Arbeitsstelle finden. Die EU-Förderung für das Projekt Marktorientierte Ausbildungs- und Beschäftigungsintegration (MABIS) ist jedoch ausgelaufen. Wie geht es hier weiter?
Friedrich Waldmann: MABIS soll weiter laufen, das ist meine persönliche Meinung. Ich habe zwar noch keine offizielle Mitteilung erhalten, zurzeit beschäftigen wir aber noch einen Berater, der den Gefangenen bei der Suche nach einem Job hilft. Es gibt genügend Statistiken, die besagen, dass ehemalige Strafgefangene eher rückfällig werden, wenn sie nach der Haft lange arbeitslos geblieben sind. Mit dem Projekt MABIS investieren wir auch in die Sicherheit unserer Gesellschaft

Im April fand ein Bezirkstreffen des Bundes der Strafvollzugsbediensteten in Herford statt. Damals wurde vor Bestrebungen gewarnt, den Strafvollzug zu privatisieren. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Friedrich Waldmann: Erste Versuchsfelder sind ja schon vorhanden. In Wuppertal und Attendorn hat es eine Teilprivatisierung der Belegschaft bereits gegeben. Unsere Aufgabe ist es nicht, Menschen lediglich einzusperren. Wir benötigen geschultes Personal, dass die Gefangenen langsam auf die Zeit nach dem Strafvollzug vorbereitet. Wir müssen nah an den Insassen sein, damit mögliche Veränderungen der Persönlichkeit sofort erkannt werden. Selbstverständlich sprechen wir mit den Beamten, die tagtäglich mit den Gefangenen zutun haben, wenn es beispielsweise um die Eignung für Lockerung der Haftbedingungen geht. Ich bin der Auffassung, dass Private nicht so geschult mit den Insassen umgehen können. Auch hier muss im Sinn der Allgemeinheit auf Qualität gesetzt werden.

Artikel vom 18.08.2005