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Franz Finkeldei (77) hat Stück
»Möbelgeschichte« geschrieben

Goldener Meisterbrief der Kammer für Steinheimer Handwerker

Steinheim (nf). Das Tischlerhandwerk steckt Franz Finkeldei im Blut: 1890 hatte sein Großvater in Steinheim in der Nähe des Bahnhofs eine Möbelfabrik gegründet, die der Vater weiter ausgebaut und danach von Franz Finkeldei zu großer Bedeutung geführt wurde. Hochwertige Stilmöbel, fast ausschließlich Schlafzimmer aus dieser Steinheimer Produktion, gelangten zu weltweiter Anerkennung und Nachfrage.

Es klingt wie ein orientalisches Märchen, wenn Finkeldei von seinem wohl prominentesten Kunden erzählt. »Saddam Hussein bestellte gleich 14 Schlafzimmer. Per LKW gelangte die Lieferung damals wohlbehalten in den Irak.« Die Kontakte zu diesem Geschäft hatte Tochter Jutta über ihren damaligen Arbeitgeber, die Vereinigten Werkstätten in München, hergestellt. In Steinheim wurde der frühere Unternehmer, der ein Stück Steinheimer Möbelgeschichte mitgeschrieben hat, jetzt mit dem von der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld ausgestellten »Goldenen Meisterbrief« geehrt. Die Urkunde Brief übergaben Obermeister Heinrich Schwarze und Ludger Niklas, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.
Seine Tischlerlehre begann der Goldene Meister im elterlichen Betrieb, der zusammen vom Vater und vom Onkel geführt wurde. »Besonders Onkel Josef hat mich richtig rangenommen«, erinnert er sich an diese Lehrzeit. 1957 trennten sich die Wege im Unternehmen: während Josef Finkeldei im Industriegebiet Steinheim neu baute (später Jofi), behielt Franz Finkeldei sen. den angestammten Betrieb.
Nach Abschluss der Lehre machte der junge leidenschaftliche Tischler Erfahrungen in einer Freiburger Möbelfabrik, besuchte die Technikerschule in Detmold und legte am 5. April 1955 seine Meisterprüfung ab. Eine weitere wichtige Erfahrung machte Franz Finkeldei bei einem einjährigen Auslandseinsatz in der Türkei bei Arbeiten am Parlamentsgebäude in Ankara. Schwerpunkte der Produktion waren in der Blütezeit der Steinheimer Möbelindustrie die Stilmöbelschlafzimmer, die der Tischlermeister und Unternehmer mit immer wieder neuen Ideen (sehr beliebt war weißer Schleiflack) belebte. Das erforderte bald einen größeren Betrieb, der an der Ottenhausener Straße entstand und bis zu 60 Mitarbeitern Arbeit gab. »Der damalige Bürgermeister Josef Krüger hat mich dabei stark unterstützt«, erinnert sich Franz Finkeldei. In Erbaupacht kostete der Quadratmeter damals nur fünf Pfennig Miete. In den alten Betrieb zog Bruder Ludwig mit seiner Polstermöbelfirma (heute Nieheim) ein. Großen Wert legte der Jubilar auf die technische Ausstattung und Innovationen. Jede verdiente Mark wurde in das Unternehmen gesteckt, so Ende der 70er-Jahre in eine Computer gesteuerte Maschinenstraße.
Auch eine Kooperation mit vier anderen Betrieben entwickelte sich unter dem Markenzeichen »Quadriga Stilmöbel« hervorragend. Zu einem wichtigen Standbein wurde die Herstellung moderner Schlafzimmer, die in der Einrichtung großer Hotels, darunter des Robinson Clubs in Fuerteventura und des Sheraton in Brüssel mit mehreren 100 Zimmern seine Krönung fand. Eine starke Hilfe war bei der Vorbereitung großer Projekte stets Ehefrau Lisel: »Ich habe gemessen, sie hat die Maße aufgeschrieben« so der Geehrte gegenüber dem WB. Insbesondere der Nachwuchs lag dem 77-Jährigen stets am Herzen, denn unter seinen Fittichen lernten zahllose Lehrlinge das Tischlerhandwerk.
Viele seiner Erfahrungen gab er als Meisterbeisitzer im Gesellenprüfungsausschuss weiter, dem er 15 Jahre angehörte. Der »goldene« Meister blieb stets Praktiker, was ihm bei einem verhängnisvollen Absturz aus großer Höhe fast das Leben gekostet hätte. »Ein Schutzengel hat mich gerettet, so dass ich am 20. Juli immer meinen zweiten Geburtstag feiere!« In seinen Schilderungen ist zu erkennen, dass dem Tischler der unaufhaltsame Niedergang der Steinheimer Möbelindustrie im tiefsten Herzen leid tut, nachdem von einst 13 Firmen lediglich zwei Betriebe übergeblieben sind.

Artikel vom 16.08.2005