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»Unterbuttern lass' ich mich nicht

Paula Pirones (70) späte Liebe zur Tonenburg

Von Wolfgang Braun
Höxter (WB). Wo andere längst an Ruhestand denken, bleibt Paula Pirone (70) noch ausgesprochen aktiv. Auf dem Gelände der mittelalterlichen Tonenburg betreibt sie mit ihrem Mann Norbert (72) ein beliebtes Motorradfahrerhotel.

Als »jung, unternehmungslustig, heiter und zukunftsgewandt«, schilderte sie Monsignore Dr. Wilhelm Kuhne, der pensionierte Leiter der Heimvolkshochschule Hardehausen, vor wenigen Wochen bei einem Dankamt zu ihren 70. Geburtstag in der Pfarrkirche St. Dionysius in Albaxen.
Der Geistliche, der jetzt noch eine Gemeinde im Sauerland betreut, kennt das »Geburtstagskind«, wie er sagte, noch aus ihrer Jugendzeit. Denn Paula - mit Geburtsnamen Witteler - war in Brilon im Bund der Katholischen Jugend schon 16-jährig als Gruppenleiterin aktiv. Dr. Kuhne war damals Vikar und Jugendseelsorger in der sauerländischen Stadt.
Dass sie Jahrzehnte später als manchmal auch geharnischte Burgfrau auf der Tonenburg ein druchsetzungstarkes Regiment führen würde, hatte sich die Tochter eines Autohändlers nicht träumen lassen.
Nach Besuch der Handelsschule arbeitete die Industriekauffrau, die später auch die Lizenz erworben hatte, junge Menschen in Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes ausbilden zu dürfen, im väterlichen Betrieb im Büro.
Einer der Vertragspartner des Autohauses war auch die Firma Borgward in Bremen. Von dort holte sie für ihren Vater Fahrzeuge ab - sie waren huckepack auf einem 7,49-Tonner-Lkw verladen worden. Nicht selten machte sie Zwischenstation in Herstelle, wo sie auf einem Schützenfest den Sparkassenkaufmann Norbert Pirone - einen »genialen und wundervollen Mann«, wie sie auch heute noch sagt - kennengelernt hatte. Sie heirateten 1960. Sie habe vier Kinder: Barbara (44), Stephan (42), Martha (40) und Almuth (38).
Nach ihrer Hochzeit gründeten die beiden ihre erste Firma in Brilon, ein Unternehmen, das beheizbare Schwimmbäder herstellte. »In dem Bad, was wir für das Paderborner ÝArosaÜ-Hotel bauten, baden im 8. Stock immer noch die Gäste«, ist Paula Pirone stolz.
Es war eigentlich mehr ein Testballon, als sie um eine leerstehende Halle in Brilon zu nutzen, in Motorradzeitungen die »Motorradranch« für Übernachtungen anboten. »Vollkommen unerwartet standen 70 Motorradfahrer bei der Eröffnung der ÝRanchÜ vor der Türe«, erinnert sich Paula Pirone. Und: »Ich briet Schnitzel für unsere Gäste auf einem zweiflammigen Gaskocher.«
1975 erwarben die Pirones die Villa Löwenherz in Lauenförde. »Das Haus war so heruntergekommen, dass man durch die Löcher im Dach die Vögel fliegen sehen konnte«, gibt sie einen Eindruck von dem unternehmerischen Mut, das Haus zu sanieren und zu einem Motorradfahrerhotel umzubauen. Der Erfolg der Villa Löwenherz, die jetzt von Tochter Martha und Sohn Stephan betrieben wird, und auch der der Tonenburg gibt den Pirones Recht. Sie hatten mit der Biker-Hotellerie eine Marktnische entdeckt.
»Weil wir den großen Bedarf an Übernachtungsmöglichkeiten für Motorfahrer sahen, haben wir dann vom Herzog die Tonenburg gekauft und Gebäude auf dem Anwesen zur Bikerunterkunft ausgebaut«, begründet sie ihr Engagement für das Baudenkmal.
Nach der Übernahme der Tonenburg 1995 offenbarten sich das Durchsetzungvermögen und die Hartnäckigkeit Paula Pirones erst richtig: Anders als bei der Sanierung der Villa Löwenherz im niedersächsischen Lauenförde trafen sie hier die Denkmalschutzauflagen in ganzer Härte. »Viel Nerven« habe der Kampf mit dem »fürchterlichen Bürokratismus« gekostet. Und vor allem: »Wir haben die Burg saniert, ohne sie eigentlich nutzen zu können.«
Ob sie diese Belastungen, zu denen harte Auseinandersetzungen mit dem Bauamt gehören - es hatte mit der Begründung, der Brandschutz sei nicht gewährleistet, sogar Privaträume versiegelt - noch einmal durchstehen würde? »Das weiß ich nicht«, sagt sie, deren Triebfeder es auch ist, sich nicht »unterbuttern« zu lassen.
Mitte der 90-er Jahre war die Tonenburg bei einem »Tag des offenen Denkmals« mit dem Hinweis auf Sicherheitsbedenken von der Stadt von der Liste der zu besichtigenden Gebäude gestrichen worden, erzählt sie. Doch das Land hatte eine Versicherung auch für die Tonenburg abgeschlossen. Paula Pirone konterte mit dem »Tag des geschlossenen Denkmals« und hatte eine überwältigende öffentliche Resonanz.
Sehr beliebt sind ihre sachkundigen und lebendigen Führungen durch die Burg, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts vermutlich zum Schutz Corveys errichtet wurde. Doch einmal in der Woche genießt sie ihren freien Tag: »Dann fahre ich nach Paderborn und besuche das Hochamt im Dom und lasse mich anschließend im Domhotel beim Frühstück verwöhnen.«

Artikel vom 18.08.2005