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Rüffel für Verteidiger

»Opa-Prozeß« vertagt

Bünde/Bielefeld (uko). Der »Opa-Prozess« vor dem Bielefelder Landgericht geht in die Verlängerung. Im Verfahren um den Mißbrauch der eigenen Enkelin stellte Verteidiger Dirk Baumann für den Bünder Paul A. (Name geändert) eine Fülle von Beweisanträgen, die die Verhandlung bis Oktober hinausziehen können.

Paul A. soll sich Ende Dezember 2004 - wahrscheinlich aber von November 2004 bis Februar 2005 - in zehn Fällen seiner sechsjährigen Enkelin Linda unsittlich genähert haben und sogar versucht haben, den Geschlechts- und den Analverkehr mit dem kleinen Kind durchzuführen. Die Mutter der Kleinen hatte in den betreffenden Zeiträumen Krankenhausaufenthalte. Aufgedeckt worden war der Fall Anfang Februar zufällig: Die Mutter hatte in der Wohnung ihres Vaters eine Zeichnung gefunden, die die Handschrift des Mädchens trug und einen klaren Beleg für den sexuellen Mißbrauch lieferte. Im Zuge der Ermittlungen waren auf dem Laptop des Großvaters zudem Dateien mit pornografischen Inhalt gefunden worden. Es handelte sich dabei um den sexuellen Mißbrauch von Kindern.
Paul A. bestreitet die Taten nachhaltig. Seine Enkelin hingegen hatte ihn mit einer überzeugenden Aussage so massiv belastet, daß selbst der Verteidiger davon beeindruckt war. Gleichwohl stellte Baumann am ersten Verhandlungstag wie auch gestern eine Vielzahl von Beweisanträgen, die zumeist den Vater des mutmaßlichen Opfers als potentiellen Täter hinstellen. Ein großer Teil dieser Beweisanträge beruht obendrein auf Hörensagen: Andere Familienmitglieder wollen demnach von einem Verwandten etwas über Umstände in der Tatzeit oder in der Vergangenheit erfahren haben. Das gipfelte in der Erwägung des Verteidigers, Linda sei bereits als Baby sexuell mißbraucht worden. Das sei aus Pusteln am Unterkörper zu schließen. Baumann nahm indes diesen Beweisantrag nach eindringlicher Stellungnahme von Staatsanwältin Ruth Dringenberg-Enders zurück. Danach zogen sich Gericht und die am Prozeß beteiligten Juristen zu einem vertraulichen Gespräch zurück. Dem Vernehmen sollen harsche Worte zur Verteidigungstaktik gesagt worden sein.
Schon während des gestrigen Tages hatte Kammervorsitzender Reinhard Kollmeyer den Verteidiger eindringlich ermahnt: »Ein Organ der Rechtspflege hat Grenzen einzuhalten.« Kollmeyer rüffelte damit Baumanns Unterstellung, das Gericht oder die Staatsanwältin hätten Einfluß auf die Aussage der sechsjährigen Zeugin genommen. Baumann wörtlich: »Ich schließe das nicht aus.«

Artikel vom 16.08.2005