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Letzte Ikone
zeigt Ausmaß
des Unrechts

Franz Jung: »Mehr geht nicht«

Von Judith Frerick
Marienfeld (WB). An die 300 Ikonen türmen sich in dem Museum von Franz Josef Jung (83). Nun soll Schluss damit sein, zumindest mit den Großformaten. »Ich habe einfach keinen Platz mehr für die riesigen Ikonen. Mein letztes Christusbildnis steht noch auf der Staffelei. Ich weiß nicht mehr, wohin damit«, sagt der begnadete Marienfelder Künstler im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT und lässt seinen Blick verklärt durch sein überfülltes Ikonenmuseum an der Adenauerstraße wandern.

Die letzten vier Groß-Ikonen haben noch ein Plätzchen in dem Museum gefunden. »Mehr geht aber nicht mehr«, meint Jung, der den Pinsel aber nicht endgültig zur Seite legen wird. Nur die riesigen Formate sind ab sofort passé. Sein letztes Werk: Jesus' Kreuzigung. »Mit dieser Ikone habe ich das große Unrecht zum Ausdruck gebracht«, betont der Ikonen-Maler und schaut ernst durch seine große Brille. Damit spielt er nicht nur auf die Qualen des Sohnes Gottes an, sondern auch auf das Unrecht, das aus seiner Sicht ihm selbst widerfahren ist.
Jung fordert weiterhin eine Entschädigung für den Verlust seines Marienfelder Mamorwerks (das WESTFALEN-BLATT berichtete bereits mehrfach). Er kann und will nicht vergessen. Daher hat der 83-Jährige kürzlich nach etlichen Anläufen auch den neuen nordrhein-westfälischen Staatssekretär Günter Kozlowski (CDU) eingeschaltet. Ob das eine Wendung bringen wird, steht in den Sternen. Und trotzdem wird Franz Josef Jung nicht müde, weiter für sein Recht zu kämpfen.
Das Erlebte, sagt Jung, verarbeite er durch das Malen seiner Ikonen. Dabei nutzt er die russische Technik, die er sich selbst erarbeitet hat: »Ich vermische die Naturfarben mit Eigelb und Altbier, so entstehen die ausdrucksstarken, leuchtenden Farben. Außerdem wird das Holz mit drei bis vier Schichten Champagner-Kreide, Gips und Leim beschichtet«, verrät der rüstige 83-Jährige, der Anfang November den Goldenen Meisterbrief von der Handwerkskammer entgegen nehmen wird.
Warum male ich eigentlich Ikonen? Auf diese Frage hat er sich jetzt, wo er seine letzte vollendet hat, eine Antwort gegeben: »Ich male aus mehreren Gründen: Zum einen aus Dankbarkeit. Schließlich musste ich vier Jahre lang für mein Vaterland in einem sinnlosen Krieg meine Jugend opfern. Dabei hatte ich das große Glück, zu überleben. Im Zweiten Weltkrieg konnte ich dem Tod viermal knapp entrinnen.« Zum anderen aber auch aus Verbitterung. »Die Malerei lenkt mich einfach ab«, meint der agile Künstler und schaut gedankenverloren auf sein letztes großes Werk, die Kreuzigung von Jesus Christus.

Artikel vom 13.08.2005