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Die Dosis macht das Gift: Das gilt für den Fingerhut, aus dessen Wirkstoff ein Herzmedikament gewonnen wird.

Finger weg:
Giftpflanzen
im Wald

Tollkirsche, Fingerhut und Co.

Von Hanne Reimer
Altkreis Büren (WV). Sehr appetitlich sehen sie aus, die runden, tiefschwarz-glänzenden Beeren. Und eine geheimnisvolle Geschichte haben sie auch. Frauen nutzten sie, um die Pupillen zu weiten und so hübscher auszusehen, woher die Früchte den Beinamen »Belladonna« haben. Eigentlich heißen sie aber Tollkirschen und waren angeblich auch eine unverzichtbare Zutat in Hexensalben, die für Halluzinationen sorgten. Geschichten wie diese gibt es über viele Pflanzen im Wald, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind gefährlich giftig.

»Die Tollkirschen sehen schon sehr einladend aus«, meint Förster Michael Wessel vom Forstamt Paderborn beim Spaziergang durch sein Revier bei Upsprunge, das er innerhalb der Forstbetriebsgemeinschaft Paderborner Land betreut. »Zudem wachsen die Beeren oft direkt am Wegesrand, was schon einmal Kinder zum Zugreifen verführen könnte.«
Doch das dürfen sie nicht. Zwar sind nur wenige der vielen Pflanzen, die jetzt in den heimischen Wäldern in Blüte stehen, giftig. Dennoch müssen Eltern ihren Sprösslingen unbedingt die Regel vermitteln: Was man nicht kennt, das isst man nicht. Denn während man in Gärten und Parks, auf Schulhöfen und Kindergärten die Wahl der Pflanzen beeinflussen kann, ist das in der freien Natur nicht möglich. Denn auch giftige Gewächse haben ihren Platz in der Lebensgemeinschaft der Pflanzen.
»Wie stark eine giftige Pflanze wirkt«, erklärt Wessel, »hängt sehr vom Standort ab.« An einer sonnigen Stelle sei der Wirkstoffgehalt meist höher. Und auch Alter, Gewicht und körperliche Verfassung des Menschen, der versehentlich oder aus Leichtsinn zugreift, spielen eine wichtige Rolle.
Und was ist zu tun, wenn eine vermeintliche Giftpflanze verzehrt wurde? Der »Patient« sollte beobachtet und gegebenenfalls zum Arzt gebracht werden. Fast immer ist der Magen-Darm-Trakt betroffen und reagiert mit Erbrechen, Durchfall oder Bauchschmerzen. Außerdem können Pflanzengifte Schwindel, Sinnestäuschungen oder Lähmungen verursachen. »Ganz wichtig: Eine der Pflanzen, die gegessen wurden, sollte unbedingt zum Arzt mitgenommen werden, damit er weiß, womit er es zu tun hat«, rät Michael Wessel.
Manche Pflanzen, die roh ungenießbar oder sogar giftig sind, können gekocht übrigens zur Delikatesse werden. Das gilt nicht nur für Kartoffeln, sondern auch für Vogelbeeren oder Holunder. Und oft ist die Giftigkeit auch eine Frage der Dosierung. So ruft der Genuss von Fingerhut in der Natur Herzrhythmusstörungen hervor, in Pillenform ist sein Wirkstoff Digitalis dagegen ein wertvolles Herzmedikament.

Artikel vom 10.08.2005