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Von Michael Robrecht

Diese
Woche

Annentag ist Magnet


Wer den Brakeler Annentag als normales Fest bezeichnet, der hat noch nie richtig mitgefeiert. Die Mischung aus Weihrauch und Kirmesduft - das ist Annentag! Wenn bis Montagabend wieder Zehntausende Besucher durch die Innenstadt bummeln, in den Festzelten getanzt und gesungen wird und wenn am Sonntag Hunderte an der Prozession zur Annenkapelle teilnehmen, dann offenbart sich das Geheimnis dieses größten Volksfestes zwischen Egge und Weser: die Mischung aus Himmel und Erde! Die Paderborner haben die Einzigartigkeit eines katholisch-weltlichen Festes treffend im Begleitheft zur Liboriwoche beschrieben: Wer von Osten des Domplatzes über die hohen Kirmesstände auf die Kathedralkirche blickt, nimmt das Zusammenspiel mit Turm, Dachreiter und Fialen wahr. Alles weist nach oben und ist doch geerdet. So spannt sich auch der Glaube zwischen Himmel und Erde. Man kann das auf Brakel übertragen: Wer auf den Kirchplatz in Brakel blickt, sieht das Zusammenspiel des Kirchturms von St. Michael mit seinen Türmchen, aufstrebenden Dachverzierungen und dem aufragenden, mehrstöckigen Annenzelt sowie den beleuchteten Spitzen der Fahrgeschäfte. Auch hier weist alles nach oben! Diese Sinnbildlichkeit drückt aus, was den Annentag ausmacht: Es ist ein Fest zwischen Himmel und Erde.
Eingebettet zwischen kirchlicher Tradition und wachem Blick für das Neue bei einem weltlichen Volksfest mit viel jungem Publikum ist der Annentag auch bei der 250. Auflage jung geblieben. Das Programm verbindet Kirche und Kirmes perfekt. Von Bischofsmesse, Prozession mit Schützenabordnung und Mutter Anna auf der einen Seite bis zur Miss Annentag-Wahl, Mallorca-Party, Riesenrad, Achterbahn, Bierseligkeit und fliegenden Händlern kann der Kontrast krasser nicht sein - und ist doch kein Widerspruch.
Kirche ist für die Menschen da und nicht umgekehrt. So mancher findet beim Annentags-Gottesdienst neuen Zugang zum Glauben, entdeckt, dass Glaube und Heimat nicht nur leere Floskeln oder Worthülsen sind. Der Annentag hat seit 250 Jahren Vitalität und Ausstrahlungskraft, sonst kämen nicht jedes Jahr so viele Menschen - auch aus anderen Städten - zu den kirchlichen Feiern und noch mehr zum Volksfest. Die christliche Tradition ist da lebendig, wo sie gepflegt wird und wo Menschen zueinander finden. Das genau ist beim Annentag der Fall. Hier können die Gäste Mensch sein, Freunde treffen, Freundschaften schließen und mit der Familie nette Stunden verbringen. Das ist doch großartig, gerade in einer Welt, wo Individualismus und Ellenbogendenken Oberhand gewinnen. Hunderte verschieben ihren Urlaub, nur um die Sternstunden des Jahres beim Annentag, in Gemeinschaft ohne Hektik und mit innerer Zufriedenheit zu erleben.
Der Brakeler Annentag ist ein Treffpunkt für 350 000 Bürger und auch für die Prominenz. Der gestrige Wirtschaftstag des Kreises Höxter und der Annentagsempfang am Montag sind für Entscheidungsträger nicht unwesentliche Orte der Kommunikation. »Das haben wir am Annentag abgesprochen!« Diesen Satz hat man schon öfter gehört. Annentage führen eben zusammen.
Im 250. Jahr seines Bestehens als Annenfest ist der Markt attraktiver denn je. Das Aufgebot von Bands, Stars und Sternchen in den Festzelten ist enorm. Im Kirmesbereich gibt es das modernste an Fahrgeschäften, was auf dem Markt ist. Das Programm bietet das, was die Besucher wollen, wobei man immer aufpassen muss, dass die Trends der Zeit erkannt werden. Credo der Brakeler: Annentag ist ein Volksfest! Und das soll es auch bleiben.
Die Gäste können sich in Brakel sicher fühlen. Polizeiwache und Privat-Security haben Krawallbrüder, die noch vor Jahren wie Heuschrecken eingefallen waren, durch ihre Rundum-Präsenz verjagt.
Sicher gibt es auch Brakeler, die über Unannehmlichkeiten schimpfen, die der Annentag so mit sich bringt. Zu laute Musik über vier Tage und Parkprobleme werden aber überwiegend tolerierend hingenommen. Und auch die Zeitgenossen, die zu tief ins Glas geschaut haben, gehören wohl einfach dazu. Annentag ist eben ein Fest zwischen Himmel und Erde. Die Schausteller, und vielen von denen geht es mit Blick auf die leeren Geldbörsen der Besucher gar nicht gut, hoffen trotz Regen-Vorhersage auf trockenes Kirmeswetter. Die Veranstalter setzen darauf, mit ihrem Angebot den Nerv des Publikums getroffen zu haben. Die einzigartige Mischung des 250. Annentages wird sicher wieder für einen großen Erfolg sorgen. Also, auf zum Annentag!

Artikel vom 06.08.2005