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Ein Schatz aus
360 Silberplatten

Pfarrer verwahrt uralte Valdorf-Fotos

Von Jürgen Gebhard
Vlotho-Valdorf (VZ). Christoph Beyer hütet im Pfarrhaus einen Schatz, den er von seinem Großvater geerbt hat: 360 Silber-Negativplatten aus den Anfangszeiten der Fotografie. Einige dieser Aufnahmen sind in Valdorf entstanden - unter anderem in den zwanziger Jahren bei Orgel-Steinmann.

»Großvater Moritz Beyer stammt ursprünglich aus Thüringen. In den zwanziger Jahren wanderte er mit seinen Eltern und den beiden Brüdern nach Wehrendorf aus«, weiß der Valdorfer Gemeindepfarrer. In Thüringen besaß der Vater von Moritz Beyer als Harmoniumbauer einen kleinen Betrieb. Warum er den Heimatort verließ, sei unklar: »Vielleicht war die Konkurrenz zu groß, vielleicht hatte mein Urgroßvater im Dorf Schwierigkeiten, weil er im ersten Weltkrieg den Dienst verweigert hatte.«
Die Familie zog 1928 bei Orgel-Steinmann ein. Dort arbeitete der Vater, und auch Moritz Beyer (1907 bis 1994) und ein Bruder fanden in dieser gut gehenden Werkstatt ihr Auskommen. Sein großes Hobby, die Fotografie, hatte der junge Mann aus Thüringen mitgebracht. Bei Hochzeiten und Konfirmationen hatte er stets seine Plattenkamera dabei. Auch bei Ausflügen, die er mit seinem Freund Wilhelm Bültemeier mit dem Motorrad oder später mit dem Auto unternahm, fotografierte er. Als Film legte er eine 10 mal 15 Zentimeter große, lichtempfindlich beschichtete Glasplatte ein, auf die nur eine einzige Aufnahme passte.
Diese einfache Kamera lieferte erstaunlich gute Aufnahmen. »Großvater Moritz hat nie eine andere gehabt«, erinnert sich der Gemeindepfarrer, »mein Onkel hat sie irgendwann geschenkt bekommen. Sie funktioniert immer noch, aber die Glasplatten sind in Zeiten der digitalen Fotografie kaum noch erhältlich.«
Gemeinsam mit seinem Bruder Burkhard hat Christoph Beyer inzwischen die hinterlassenen 360 Glasplatten sowie zusätzliche 170 Abzüge aus alten Fotoalben eingescannt und dann am Computer-Bildschirm gesichtet, um sie in einer umfangreichen Datei zu erfassen und detailliert zu beschreiben. »Das war Detektivarbeit, erinnert sich Christoph Beyer, »die Platten waren wie bei einem Skatspiel gut durchgemischt, eine Chronologie wie auf einem Filmstreifen war nicht mehr vorhanden.«
Aus dem Raum Vlotho/Valdorf stammen nur etwa 20 der insgesamt 530 Aufnahmen. Entstanden sind sie beispielsweise in der guten Stube und in der Werkstatt bei Orgel-Steinmann, am Gedenkstein auf dem Eiberg oder vor der Valdorfer Kirche bei einer Hochzeit. Andere Bilder zeigen die Weserbrücken bei Rinteln und bei Porta Westfalica, den Hof Siekmeier in Kalldorf, Wasserpumpen am Mindener Kanal und die Fahrt auf einem Schaufelraddampfer.
Schon 1932 zog die Familie nach Bielefeld um und gründete am Bethel-Eck wieder eine eigene Werkstatt. Später errichtete man in Brackwede ein eigenes Haus - das Elternhaus von Christoph Beyer: Mit seiner bewährten Plattenkamera dokumentierte Großvater Moritz den Fortschritt der Bauarbeiten und weiterhin die Ausflüge und die Familienfeiern.

Artikel vom 05.08.2005