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Den Wasserbüffeln schlägt keine Stunde

WESTFALEN-BLATT-Redakteur schnuppert bei »Simba« in Bökendorf Freilichtbühnenluft

Von Frank Spiegel (Text) und
Dominique Zapfe-Nolte (Fotos)
Bökendorf (WB). Tausende sehen in jeder Saison die Stücke auf der Freilichtbühne Bökendorf und werden bestens unterhalten, in diesem Jahr bei »Der eingebildet(e) Kranke« und »Simba, König der Tiere«. Doch wie fühlt man sich, wenn man auf der anderen Seite der Bühne steht und nicht im Zuschauerraum sitzt? WESTFALEN-BLATT-Redakteur Frank Spiegel wollte es wissen und schlüpfte im Kinderstück in das Kostüm eines der drei Wasserbüffel:

Und das ist angesichts der sommerlichen Temperaturen schon ein Abenteuer für sich. Als ich mein Kostüm sehe, ahne ich Schlimmes. Minuten später weiß ich, was mir blüht: Schweißperlen auf der Stirn.
Der dunkelbraune Teddystoff-Overall passt nahezu perfekt, gleiches gilt für die klobigen schwarzen Stiefel und die Kopfbedeckung, auf der die Büffelhörner, meine Büffelohren und - schließlich soll ja der Kopf eine Einheit mit dem Rest des Kostüms bilden - ein kleiner Teddystoffumhang, der mir bis in den Nacken reicht und der sich vor der Brust verschließen lässt, befestigt sind. Die Kopfbedeckung lasse ich erst einmal weg.
Auf dem Weg in die Maske treffe ich meine beiden Mitspieler in dieser Rolle, Michael und Jens. Beide sind als Büffel schon alte Hasen und wissen wo es lang geht - nur gut, ich habe nämlich herzlich wenig Ahnung, wohin ich auf der großen Bühne soll.
An Bäumen solle ich mich reiben, hat mir Bühnen-Pressesprecher Patrick Posner erklärt. Na gut, bitte... aber für weitere Gedanken ist im Moment keine Zeit: Sara Spieker hat die Schwämme schon in die Schminktöpfchen getaucht und will mein Gesicht in das eines Büffels verwandeln. Ich sehe nicht, was da passiert, vor dem Spiegel sitzen nämlich diejenigen Darsteller, die eine wirklich kompliziert zu schminkende Maske bekommen - bei mir reicht reichlich Braun im Gesicht und eine gehörige Portion Schwarz im Mundbereich.
Sara Spieker lächelt zufrieden, ich verlasse mich drauf und bin es auch. Das ändert sich auch nicht nach einem flüchtigen Blick in den Spiegel. Und überhaupt: Welcher Wasserbüffel wird denn eitel sein...
Dass ein Wasserbüffel auch singen können sollte, war mir neu, aber gut: Jetzt heißt es mitmachen. Im Spielerheim singen wir alle in verschiedenen Tonlagen sinnleere Texte wie »Simsalabimmbammbasaldusaladimm«, »Mama Mia« oder »Risibisi«.
Svenia Paul, sie spielt die Schamanin Rafiki, gibt auf dem E-Piano den Ton an und alle singen mit. Ich - meistens - auch. Dann wird noch mal das erste Lied geübt: »Der ewige Kreis«. Glück gehabt, Text und Melodie kenne ich.
Eine Löwin tippt mir auf die Schulter und lächelt mich an »Du hast Deine Uhr noch auf«, meint sie. Stimmt natürlich, Wasserbüffeln schlägt keine Stunde, ich setze die Uhr ab.
Draußen ertönt das dritte Signal, das die Zuschauer dazu auffordert, ihre Plätze einzunehmen. Und ich weiß immer noch nicht genau, was ich denn nun tun soll. »Bleib bei uns in der Nähe«, erklären Michael und Jens. Und: »Am Anfang reiben wir uns ein wenig an den Bäumen, aber nicht zu fest, die sind nur Dekoration.« Mein Alptraum: Ich reibe mich an dem Baum und derselbe fällt - ich will ja gern für Freude und Spaß sorgen, aber so soll es dann doch nicht sein.
Aber wieder bleibt für weitere Gedanken keine Zeit, denn Michael und Jens berichten weiter: »Wenn die Schamanin mit ihrem Stab auf den Boden stampft, halten wir inne. Dann spricht sie etwas und stampft noch einmal. Wir gehen dann in die Mitte und bilden mit den anderen einen Kreis.« Ah ja, ist schon klar. Damit nicht genug. »Wenn die Schamanin dann den jungen Löwen zeigt, heben die Löwen die Hände, wir nicht«, schärft mir Michael ein. »Ich merks mir«, nehm ich mir vor. Und schon heißt es: »Aufstellen, es geht los.«
Zum ersten Mal auf einer Bühne vor so vielen Menschen. Ich bemühe mich, möglichst büffelmäßig zu schreiten und: Ich reibe mich an der Baumdekoration, die zum Glück stehen bleibt. Da, die Schamanin stampft, ich verharre wie gewünscht. Und während ich mich gerade wundere, wie wenig die Darsteller von dem hören, was sie auf der Bühne durch die Funkmikrofone sprechen und singen, stampft Svenia noch einmal. Da war doch was? Richtig! Einen Kreis bilden. Michael, Jens und ich reihen uns ein. Da hebt Rafiki den jungen Löwen in die Höhe, und ich erlebe, was Gruppenzwang sein kann. Michael zischt gerade noch rechtzeitig von rechts »Wir jetzt nicht« - und meine Arme stoppen. Glück gehabt, aber ich bin jetzt durchgeschwitzt.
»Sei froh, dass es nicht wirklich warm ist«, meint Michael: »Da fließt man völlig weg.« Ich magÕs mir gar nicht erst vorstellen, setze die Kopfbedeckung ab und schäle mich aus den Ärmeln meines Overalls, die ich vor dem Bauch verknote. So lässt es sich leben. Bis zur Pause haben die Büffel nichts auf der Bühne zu suchen. Zeit genug für einen netten Plausch mit anderen Darstellern. Dass man sich duzt ist gar keine Frage, man fühlt sich gleich heimisch.
Halbzeit. Dass die Spieler auf der Bühne eine große Familie sind, haben auch Leopard Alexander und Antilope Jonas verinnerlicht. Ehe ich mich versehe, spiele ich mit ihnen Ballfangen. Anschließend gibt es ein Stück Mohnkuchen und Kaffee im Spielerheim. Und dann erfahre ich, was im zweiten Teil auf mich wartet: Wir Wasserbüffel sollen uns von den Hyänen dazu bringen lassen, den Löwenpapa Mufasa todzutrampeln. Na Bravo. Aber wenns zum Stück gehört, bittesehr.
Michael, Jens und ich bringen den zweiten Teil gut hinter uns. Und ehe ich mich versehe, sind wir beim Finale. Endlich kann ich mein grimmiges Büffelmienenspiel ablegen. Geschafft! Das größte Kompliment machten mir am Ende die Zuschauer, die von meiner Gastrolle wussten: »Wir haben bis zum Schluss nicht gewusst, welcher der drei Büffel Du bist.« So bin ich wenigstens nicht durch offensichtliche Ungeschicklichkeit aufgefallen. Und wer weiß, wenn auf der Bühne mal wieder Bedarf an einem Wasserbüffel sein sollte -Êda werd' ich gern noch mal zum Tier.
Wer das Stück nach der derzeitigen Sommerpause vom Zuschauerraum aus sehen möchte, kann sich schon jetzt Karten unter % 0 52 76/80 43 oder 0 52 72/36 03 00 sichern. Auch im Internet ist eine Kartenbestellung möglich.
www.freilichtbuehne-boekendorf.de

Artikel vom 06.08.2005