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Wenn es in Wisconsin Winter wird, muss Anton Peters einkaufen gehen, denn jetzt darf er seinen Koffer nicht überladen - 23 Kilogramm sind erlaubt.

Westenholzer will Amerika erobern

Anton Peters (19) bekommt Stipendium für einjährigen Aufenthalt in den USA

Von Silvia Scheideler
Westenholz (WV). Heute beginnt für Anton Peters ein vollkommen anderes Leben. Wenn um 12.50 Uhr sein Flieger in Hannover abhebt, tauscht der 19-Jährige für ein Jahr sein Leben in Westenholz gegen ein ihm unbekanntes in Amerika.

»Das war ein Schock, als ich die Zusage bekommen habe«, gibt er zu. Von 1200 Bewerbern um ein Stipendium vom deutschen Bundestag und dem US-Kongress wurden in einem aufwändigen Auswahlverfahren 100 junge Leute zwischen 18 und 22 Jahren auserwählt - unter ihnen Anton Peters.
Im September hat er die Bewerbung abgeschickt. »Den Wunsch einmal für ein Jahr nach Amerika zu gehen, hatte ich schon vor zwei Jahren, aber da fehlten mir die Möglichkeiten. Jetzt habe ich meine Ausbildung zum Bürokaufmann beim Autohaus Regett aber abgeschlossen«, erzählt Anton Peters. Eine abgeschlossene Berufsausbildung ist nur eine von vielen Voraussetzung für das Stipendium, das den kulturellen Austausch zwischen Amerikanern und Deutschen fördern soll.
Wenn der Westenholzer in New York landet, dann wird er als erstes mit 99 anderen Stipendiaten lernen müssen, wie man in Amerika ein Auto kauft. Dass er in einem Autohaus seine Lehre gemacht hat, könnte dann von Vorteil sein. Vier Tage dauert der Workshop in der deutschen Botschaft, in dem die jungen Männer und Frauen natürlich über den Autokauf hinaus etwas über die USA erfahren.
Ein Seminar gab's schon vorab in Vlotho. »Da haben wir zum Beispiel gelernt, dass Amerikaner nicht an der Tür klopfen, wenn sie zu ist. Wer also Kontakt mit seiner Gastfamilie haben möchte, muss die Zimmertür auflassen«, weiß der gelernte Bürokaufmann.
Nach dem Workshop in New York reist der Westenholzer in einer kleinen Gruppen durchs Land. Ganz besonders freut er sich auf Chicago: »Da wollte ich schon immer mal hin.« Seinem Gastherren John wird er in Wisconsin am 14. August zum ersten Mal gegenüber stehen. Viel weiß der junge Mann nicht über sein Zuhause auf Zeit: »Aber nett hört sich mein Gastherr an. Vor ein paar Tagen haben wir zum ersten Mal telefoniert.« Ein Päckchen mit Fotos und einem Brief ist nicht mehr rechtzeitig in Westenholz angekommen. Der 19-Jährige weiß, dass sein Gastgeber verwitwet ist und fünf Kinder hat, von denen nur noch der jüngste Sohn Bob im Haus lebt. »Mit ihm werde ich das erste halbe Jahre dasselbe College in Appleton besuchen«, erzählt Anton Peters. Dass er in dem Vorort Nennah ein Zimmer mit einem Studenten aus Mittelamerika teilen wird, weiß der Bürokaufmann auch schon: »Ich schlafe im Hochbett unten, das durfte ich mir schon aussuchen.«
Ein Semester, bis Januar, wird Peters studieren, danach sucht er sich im kaufmännischen Bereich einen Job.
Nach Hause will der Westenholzer in dem Jahr nicht kommen: »Das ziehe ich jetzt so durch.« Am meisten werde er wohl seine Familie und seine Freunde vermissen: »Ein paar Freunde haben versprochen, mich besuchen zu kommen.« Ganz umsonst ist der Amerika-Aufenthalt nicht, nur direkte Kosten wie Flug-, Seminar- und Versicherungskosten sind gedeckt, indirekte Kosten nicht. So wird sich Anton Peters wohl auch eine neue Garderobe aus der eigenen Tasche zulegen müssen. Maximal 23 Kilogramm darf sein Koffer auf die Waage bringen und im Handgepäck wird er wohl auch keine Winterjacke unterkriegen: »Mit den Sachen muss ich die ersten beiden Wochen ohne Waschen auskommen, dann muss ich mir neue kaufen.« Aber einen Platz für Bilder und für seine Digitalkamera will er finden.
Vor dem College hat Anton Peters keine Angst: »Etwas Ähnliches habe ich in meiner Ausbildung ja schon gelernt.«
Deutsche wird er seltener treffen, alle anderen Stipendiaten sind aufs ganze Land verteilt. Der Westenholzer hofft, dass er in zwei Monaten auf Englisch träumt.

Artikel vom 02.08.2005