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Handschrift verrät die Täter

Beata Kaup-Ruhnow deckt als Schriftsachverständige Betrugsfälle auf

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Einfach die Unterschrift auf dem Scheck oder der Kreditkarte fälschen, und schon lockt das große GeldÉ Betrüger profitieren häufig davon, dass ein Namenszug nur mit einem oberflächlichen Blick bedacht wird. Beata Kaup-Ruhnow hingegen schaut ganz genau hin. Als Schriftsachverständige bei Gericht wirkt sie mit, dass solche Betrugsfälle aufgedeckt werden.

Die Steinhagenerin arbeitet freiberuflich im Auftrag von Gerichten und Rechtsanwälten, wenn es darum geht, die Handschrift eines Testamentes oder die Unterschrift auf Bankkarten und unter Verträgen einer Person zuzuordnen. In einem aktuellen Fall geht es etwa um ein »Geschäft« mit gefälschten Kreditkarten und einem Schaden von 5,5 Millionen Euro. Wo, das darf Beata Kaup-Ruhnow nicht verraten. Verschwiegenheitspflicht. Auch in Mordfällen wird sie hinzugezogen. Meist wenn es darum geht, einschlägige Drohbriefe zu bewerten.
Vor allem in Nordrhein-Westfalen, aber auch schon in Dresden oder Hannover sind die Dienste der 58-jährigen Spezialistin gefragt. Die gelernte Zahnarztassistentin hatte sich vor 25 Jahren beruflich komplett umorientiert, machte eine Ausbildung zur Schriftsachverständigen in der Schweiz sowie zur Schriftpsychologin in München.
Wie kommt man auf solch einen ungewöhnlichen Beruf? »Mein Vater beschäftigte sich sein Leben lang als Hobby mit Schriften und arbeitete noch bis ins 85. Lebensjahr als Schriftsachverständiger.« Voraussetzung ist Exaktheit und genaue Beobachtung, ja, man müsse sich geradezu in den Schreiber hineinversetzen können, sagt Beata Kaup-Ruhnow. »Schrift lebt sozusagen. Da kommt sehr viel rüber.«
Wichtigstes Requisit, um eine Unterschrift einer Person zuzuordnen, sind Vergleichsschriften. Gemeinsam mit der Kriminalpolizei etwa nimmt die Expertin an Hausdurchsuchungen teil, um geeignetes Schriftmaterial sicherzustellen. »Wichtig ist, dass die Unterschrift zeitnah zu der fraglichen Urkunde entstanden ist. Das Schriftbild verändert sich mit der Zeit.«
Geht es darum zu prüfen, ob ein handschriftliches Testament »echt« ist, sind größere Schriftproben notwendig: Briefe oder Telefonnotizen. Dann untersucht Beata Kaup-Ruhnow in ihrem Büro genau anhand von Vergrößerungen die Merkmale der jeweiligen Handschrift: Auf- und Abschwünge bei den Buchstaben, Lücken und Verbindungen oder auch die Strichdicke. Vergrößerungsgläser, Mikroskop und Fotoapparat helfen dabei. Hundertprozentige Sicherheit gibt es allerdings nicht.
Auch Privatpersonen wenden sich an Beata Kaup-Ruhnow. Etwa wenn es um anonyme Briefe geht. Ein Fall von »schmutzigen« Briefen ist der Steinhagenerin noch besonders lebendig. Es gab einen Verdächtigen. Doch hatte die Betroffene auch genügend Vergleichsmaterial zur Verfügung? Völlig unberechtigt diese Sorge, wie sich herausstellte. »Die Betroffene kam mit ganzen Wäschekörben voller Schriftproben. 580 seitenlange anonyme Briefe hatte die Arme bekommen.« Das Problem konnte gelöst werden.
Bei Schriftgutachten soll die Identität des Schreibers oder Testierers herausgefunden werden. Im Rahmen der Schriftpsychologie, die Beata Kaup-Ruhnow ebenfalls ausübt, geht es dagegen um das Wesen des Schreibers. So ziehen viele Firmen die Steinhagenerin im Rahmen von Bewerbungsverfahren zu Rate. Soll eine freie Position mit einer durchsetzungsstarken oder organisatorisch begabten Person besetzt werden, so kann die Expertin solche Eigenschaften aus einem handgeschriebenen Lebenslauf herauslesen.
Und was ist, wenn jemand weiß, dass sein Brief geprüft wird? »Verstellen der Handschrift geht, lässt sich aber nicht lange durchhalten«, weiß die 58-Jährige. Auch wenn jemand erkrankt, lässt sich das ablesen, an Verzitterungen, ungenauen Buchstabenformen oder abfallenden Zeilen. Fast 200 Schriftmerkmale prüft die Schriftpsychologin für ein Persönlichkeitsgutachten, vom Raumbild bis zur Länge der Buchstabensegmente.
Sogar in Liebesdingen wurde Beata Kaup-Ruhnow schon tätig: Eine Bekannte suchte über Anzeige einen Lebenspartner und ließ die Antwortbriefe von ihr bewerten: »Durch meine Hilfe hat sie tatsächlich einen passenden Partner gefunden, mit dem sie glücklich ist.« Aus einer Handschrift lässt sich Einiges über einen Menschen ablesen. Und dennoch, meint Beata Kaup-Ruhnow: »Viel vom Menschen, von seiner Persönlichkeit bleibt gewahrt. Man ist kein offenes Buch.«

Artikel vom 13.08.2005