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Autogeschichte wird lebendig

Rockefeller-Jaguar neben Adenauer-Benz: Oldtimer-Halt in Schloss Neuenheerse

Neuenheerse (zim/rob). Sommerzeit ist Oldtimerzeit. Was kann es Schöneres geben, als bei Sonnenschein im offenen Wagen durch das Weserbergland zu fahren, vorbei an Schlössern, Burgen und alten Städten. Zahlreiche Oldtimerfreunde kamen am Sonntag nach Neuenheerse, wo sie von den Schlossbesitzern, Generalkonsul Manfred O. Schröder und seiner Frau Helga, stilvoll mit Champagner begrüßt wurden.

Für Freunde alter Autos lohnte sich die Reise nach Neuenheerse, weil Oldtimer der ganz besonderen Art zu besichtigen waren. Vor dem Schloss parkte ein Vermögen: Ein Jaguar MKV mit 125 PS aus dem Jahr 1949 war die Attraktion: Das Auto befand sich früher im Besitz der amerikanischen Industriellenfamilie Rockefeller. Nelson Aldrich Rockefeller, (1958-70 Gouverneur des Staates New York und 74-76 Vizepräsident der USA), hatte am 20. Dezember 1949 bei einem Autohändler in New York den Kaufvertrag für den Jaguar unterschrieben. 3 850 Dollar kostete damals das Vehikel, das mehrmals an der Spitze der Steuben-Parade in New York zu sehen war. Der Autohändler bestand sogar auf 500 Dollar Anzahlung, obwohl Rockefeller damals bereits Gouverneur von New York, Vizepräsident der Vereinigten Staaten und weltweit der Inbegriff eines Mannes, der viel Geld hat, war.
Rockefeller überließ den Wagen 1960 einer jungen Frau aus der Familie. Lange stand das Fahrzeug herum, bis 1978 ein Elsässer Tierarzt den Jaguar kaufte und restaurierte. Er wurde in Frankreich saniert, in England bei einem Jaguar-Liebhaber geparkt und fährt jetzt in Deutschland beim vierten Besitzer durch das Land.
»Der Rockefeller-Oldtimer ist immer noch mit der ersten Maschine unterwegs«, erzählt der jetzige Besitzer des Wagens, Freddie Rausch (65 Jahre alt), der früher als Kinoplakat-Maler tätig war. Er hatte den Rockefeller-Jaguar als Tauschgeschäft gegen Bares und seinen Jaguar-Rennsportwagen von einem Freund erhalten. »Schon in meiner Kindheit, als ich noch gar nicht wusste, wie man Oldtimer schreibt, haben mich diese Autos bereits fasziniert«, erklärte Freddie Rausch. »Als ich mir dann später eines Tages einen Oldtimer anschaute, habe ich mir sofort Bücher zu dem Thema geholt und wusste innerhalb von drei Monaten den Preis und die technischen Daten von jedem Auto«, berichtete der Liebhaber historischer Wagen, dessen Motto »Alte Autos, alte Weine und junge Frauen« lautet.
Seine Tochter und sein Schwiegersohn teilen seine Passion: Sie fahren einen MGA MK II von 1962 und stellten diesen auch bei dem Oldtimer-Treffen in Neuenheerse aus. Außerdem konnten ein Alfa Romeo 2600 Touring Spider, Baujahr 1963 mit 145 PS, ein BMW 507 aus dem Jahre 1957 mit 169 PS, ein Jaguar MK 10, Baujahr 61 mit 185 PS, ein Karman Ghia mit 50 PS von 1972 besichtigt werden.
Ebenfalls war ein Mercedes Benz 300 d, der mit dem Dienstwagen Konrad Adenauers modellgleich war, zu bewundern. Der ehemalige Bundeskanzler schätzte den Typ 300, der die Zeit des deutschen Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg symbolisierte, wegen seines hohen Fahrkomforts. Auch das älteste Auto, das an diesem Tag präsentiert wurde, »Brennbor B 5« mit 12 PS aus dem Jahr 1911, ließ die Herzen der Oldtimer-Freunde höher schlagen. Die Oldtimer-Begeisterten waren am Freitag von Dortmund aus angereist und hatten bei ihrer Weserbergland-Solling-Tour die Allersheimer Brauerei und ein Motorradmuseum besichtigt, bevor sie nun auf den Rückweg Station in Neuenheerse machten.
Mehrmals im Jahr treffen sich die Oldtimer-Fahrer, um durch Deutschland, Österreich, die Schweiz oder Ungarn zu reisen und sich besonders an den ländlichen Gegenden und schönen kleinen Ortschaften zu erfreuen, wo die Zeit - passend zu den alten Fahrzeugen - stillgestanden zu sein scheint.

Artikel vom 02.08.2005