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Erinnerungen an alte
Heimat werden wach

Ostpreußen-Archiv schlummerte unter der Couch

Von Friederike Niemeyer
Steinhagen (WB). Das war ein überraschender Fund, den Klaus Diesing da gemacht hat. Beim Aufräumen stießen er und seine Frau Hella unter einer Couch auf etliche Ordner mit alten Zeitungsberichten aus Ostpreußen. Sein 1981 verstorbener Vater Oskar hatte darin ein sorgfältig geordnetes Archiv über seine alte Heimat angelegt.

»Meine Eltern haben nie viel erzählt von früher«, sagt Klaus Diesing. Doch beschäftigt hat sich Vater Oskar intensiv mit der alten Heimat, bezog Zeitschriften, um über die Entwicklung im heutigen Russland auf dem Laufenden zu bleiben.
Unter den Fundstücken im Haus Diesing sind auch die Jahrgänge 1951 bis 1953 von »Das Ostpreußenblatt«. Und dann die selbstgebastelten Ordner im Zeitungsformat zu verschiedenen Regionen. Da gibt es Sammlungen zu Sensburg, zu Gumbinnen, zwei Bände sogar zu Königsberg und einen dicken Ordner zum Regierungsbezirk Allenstein, aus dem Oskar Diesing stammte. Darüberhinaus gibt es Bände zu Westpreußen, Danzig und Pommern.
Fein säuberlich ist in den Ordnern dann das Zeitungsmaterial der 50er und 60er Jahre eingeklebt, aufgeteilt nach Kreisen und Städten. Im Ordner Allenstein finden sich etwa Bilder und Texte zu Rössel, Johannisburg, Lötzen, Lyck, Neidenburg, Ortelsburg und Osterode. »Ich habe auch schon einmal im Internet recherchiert, aber etwas in dieser Art habe ich noch nicht gefunden«, ist sich Klaus Diesing über den besonderen ideellen Wert dieser Sammlung im Klaren.
Neben Eindrücken aus Ost- und Westpreußen hat sich Oskar Diesing aber auch mit seiner neuen Heimat beschäftigt, sammelte Zeitungsausschnitte zur Region Bielefeld und zu Berlin. »Mein Vater hat sich oft abends an den Tisch gesetzt, eine Zigarre angezündet und dann ÝgeklebtÜ, wie wir gesagt haben«, erinnert sich Klaus Diesing. »Das hat ihm Freude gemacht, aber ein Stück Wehmut war wohl auch dabei.«
Oskar Diesing war im Krieg in englische Gefangenschaft geraten und kam 1947 nach Dreischlingen. Seine Familie, Ehefrau Berta und Sohn Klaus kamen 1949 nach Steinhagen. Sein Bruder Emil blieb in Güstrow an der mecklenburgischen Seenplatte. In Steinhagen heimisch geworden, besuchte Oskar Diesing seine Heimat nie wieder.
Beim Blättern in den Ordnern werden auch beim heute 69-jährigen Klaus Diesing wieder einzelne Kindheitserinnerungen lebendig. »Im Königsberger Schloss hat mich eine Modelleisenbahn-Ausstellung beeindruckt. Und im dortigen Schwimmbad im See wäre ich einmal fast ertrunken.« So etwas vergisst man natürlich nicht...

Artikel vom 02.08.2005