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Zwischen Baum und Borke

Rundgänge im Botanischen Garten sind ein Publikumsmagnet

Gütersloh (WB). Von wegen papierloses Büro! Rund 18 Prozent der deutschen Bevölkerung verbraucht durch die Nutzung des Internets mehr Papier als zuvor. Was das mit einem Rundgang durch den Botanischen Garten zu tun hat? »Mein Freund der Baum« liefert seit tausenden von Jahren das Rohprodukt.

En passant liefert Barbara Weidler solche Informationen auf dem Weg durch den Botanischen Garten. In diesem Jahr hat sie ihre Themenrundgänge im Rahmen des Gütersloher Sommers den »grünen Riesen« gewidmet und noch mehr: Sie lässt die Bäume sprechen. Die Stimme leiht ihnen Rolf Eustergerling. So entspinnt sich auf dem Rundgang mal ein sachlicher, mal ein geradezu poetischer Dialog, dem beim ersten Termin an die 70 Teilnehmer konzentriert folgten.
Vielen von ihnen ist der Garten zwar vertraut, nicht aber Namen und Geschichte der teilweise Jahrzehnte alten Gewächse, die - wie die »Große Buche« - die Wiesen und Beete strukturieren, Menschen und Pflanzen Schatten spenden und einfach nur imposant aussehen. Ermuntert von Barbara Weidler und Rolf Eustergerling greifen sie zu, lassen Blätter und Nadeln durch die Finger gleiten und stellen mit Verwunderung fest, wie weich sich das Grün des Mammutbaumes anfühlt, das von weitem Tannennadeln ähnelt.
Beim Mammutbaum nehmen die beiden Gartenführer ihr Publikum mit in die Weiten Amerikas und auf einen Exkurs über die Geschichte der Totempfähle. Sie werden aus dem Stamm dieser Pflanze, die zur Familie der Zedern gehört, geschnitzt. Es zeichnet Weidlers Rundgänge aus, dass der Zuhörer über diese Information hinaus ungewöhnliche Geschichten erfährt - etwa, dass zu Ehren von Rick Hansen, einem Rollstuhlfahrer, der mehr als 40 000 Kilometer um die Welt rollte, ein eigenes Totem geschnitzt wurde. Natürlich zaubert Barbara Weidler auch ein Bild davon aus ihrer Tasche.
Der Tulpenbaum liefert Assoziationen zu verschiedenen Düften, ein Gedicht von Erich Kästner über die kleine Stadt am Sonntagmorgen, in dem vom »schnarchenden Kastanienbaum« die Rede ist, findet seine Erwähnung und selbst ein kleiner Exkurs zum Bonsai hat Platz - man steht gerade unter den riesenhaften Geweihbäumen.
So verstehen es Barbara Weidler und Rolf Eustergerling, ihre Zuhörer bei diesem Sonntagmorgenspaziergang von Station zu Station in erwartungsvoller Spannung zu halten, ohne die Aufnahmefähigkeit zu überfordern. Mit großer Leichtigkeit sind die Themen miteinander verwoben, es bleibt genügend Raum für Nachfragen und zuweilen kann sich auch der eine oder andere Teilnehmer als Kenner der Materie profilieren.
Gut eineinhalb Stunden verfliegen »wie ein Blatt im Wind«, und am Ende scheinen doch noch so viele Geschichten zwischen Baum und Borke zu warten, dass sich fast ein zweiter Teil lohnen würde. Bis dahin gibt es aber noch zweimal die Neuauflage des ersten Spaziergangs »Mein Freund der Baum«: An diesem Sonntag, 31. Juli und am Sonntag, 14. August. Treffpunkt ist um 11 Uhr am Eingang zum Botanischen Garten, Parkstraße. Wie alle Veranstaltungen des Gütersloher Sommers ist der Rundgang kostenfrei.

Artikel vom 30.07.2005