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Ein »Nichts«, das viele
Funktionen erfüllen soll

Linnenbauerplatz: Stadtarchivar beleuchtet Geschichte

Von Peter Schelberg (Text)
und Jörn Hannemann (Foto)
Herford (HK). Seit mehr als 40 Jahren wird am Linnenbauerplatz »herumgedoktert«: »Entstanden ist ein Nichts, das aber viele Funktionen erfüllen soll«, betonte Christoph Laue am Freitag beim Info-Abend in der Stadtbibliothek: »Und das macht die Gestaltung so kompliziert.« Der Herforder Stadtarchivar beleuchtete im Rahmen der Vortragsreihe zur Neugestaltung des Linnenbauerplatzes die Geschichte der Bowerre und des einstigen Mühlenstandortes.

Mit dem Slogan »Herford, die Stadt der Brücken und Gärten« habe die Stadt in den 30-er Jahren geworben, rief Laue vor etwa 70 Zuhörern in Erinnerung. 1960 lautete das Motto »Parke und kaufe in Herford!« Dieser Wechsel der Denkmuster in der Stadtwerbung zeige sich auch in der Stadtplanung und deren Umsetzung. »Die Betonung auf Verkehr und Geschäftstätigkeit sehen wir heute noch unter anderem im Bau der Berliner Straße als neuer Herforder Kö und Einkaufsmagistrale.« Mittelalter sei zugunsten der damaligen Moderne verdrängt worden, auch im Geist der Bürgerinnen und Bürger. »Die Folgen und Wunden dieser Stadtpolitik finden sich bis heute«, stellte der Referent klar. Heute werde repariert. »Mittelalter trifft Moderne« lautet der neue und aus seiner Sicht auch richtige Stadtslogan: »Aber geht das an jeder Stelle?«
Als »offene Wunde« bezeichnete Laue auch den Linnenbauerplatz, einen »leeren Ort zwischen den Städten«: »Eigentlich war er nie und ist er kein Platz. Verlorenes ist nicht wieder herzustellen - und dazu sollte man stehen.« Entstanden ist das »Nichts« Linnenbauerplatz vor allem durch die seit 1960 betriebene Zuschüttung der Bowerre und den Abriss der Mühle 1970, verwies der Stadtarchivar auf die jüngere Geschichte. Anschaulich markierte er die Stationen der Stadtentwicklung von der Gründung des Klosters über die Anlegung der Herforder Neustadt mit ihren Entwässerungskanälen bis zum Ausbau der stadtbildprägenden Mühle und der Industriebetriebe am Wasser.
Laue zeigte auf, dass der Ort des Linnenbauerplatzes der wichtigsten Entwicklung der Stadt immer nahe stand. Der Abzug großer Teile der Industrie in den 50-er Jahren hatte weit reichende Strukturveränderungen und die Einstellung des Mühlenbetriebs zur Folge: »Die Bowerre mit ihren ungenutzten alten Gebäuden, mit ungenutzter Mühle und Rattenplage wurde zur Last.« Seit dieser Zeit habe es die Diskussionen um die Nutzbarkeit der Werre an dieser Stelle gegeben: 1971 wurde in einem Gutachten zur Gestaltung der Fußgängerzone die Erhaltung der Bowerre ins Spiel gebracht. Sogar von einem Schwimmbad in diesem Bereich war die Rede - bei Gesamtkosten von 2,8 Mio. Mark allerdings nicht lange. Bis 1974 wurde die Bowerre schließlich zugeschüttet.
Wenn es um die »Sichtbarmachung als geschichtliche Standort« gehe, müsse die Frage beantwortet werden, was sichtbar werden solle, so Laue: »Die 700-jährige Mühlensituation, die ältere Flusssituation, die Veränderungen des Raumes, der Bedeutungswandel vom Mühlenstandort zur Fußgängerzone?« Diese Frage betreffe auch die Forderung nach Wiederfreilegung der Bowerre, die weder technisch möglich noch notwendig sei. Laue meint: »Wiederherzustellen ist irgendeine Situation nicht - und für die Information über das Frühere reicht eine Erläuterungstafel.«

Artikel vom 01.08.2005