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Von Stephan Rechlin

Gütersloher
Wochenschauer

Ein neues, anonymes Grab


Seit dieser Woche gibt es ein neues, anonymes Grab im Kreis Gütersloh. Auf einem unbekannten Friedhof liegt ein kleiner Junge begraben, eine Frühgeburt, die kurz nach der Geburt umgebracht, in eine Plastiktüte gesteckt und in einen Altglascontainer geworfen wurde.
Die Leiche des Babys wurde im Kreis Gütersloh zwar nur gefunden - doch niemand schließt deswegen kategorisch aus, dass sie hier nicht auch in einen Glascontainer geworfen worden sein könnte. Die Verzweiflung und die Isolation, die zu dem Mord am Baby führten, sie sind sicher auch hier, in unserer Nachbarschaft, denkbar. Deswegen hat die katholische Kirchengemeinde »Heilige Familie« in Blankenhagen bereits vor drei Jahren eine Babyklappe am Gemeindehaus eingerichtet.
Trotz aller Informationsbroschüren bei Ärzten und Apotheken, trotz Vorträgen, Schulbesuchen und Zeitungsartikeln kommt es immer wieder vor, dass Eltern in schwierigen Situationen keinen anderen Ausweg finden, als ihr neugeborenes Kind zu töten. Die Umstände solch einer Tat sind vielfältig und schlimm, seien es wirtschaftliche Not, religiöser oder familiärer Druck, eine Vergewaltigung, ein »Fehltritt«, der nicht bekannt werden darf, oder eine Mischung aus allem. Als Freunde und Nachbarn sind wir gefordert, die Augen offen zu halten, und behutsame, vertrauliche Gespräche anzubieten. Daran knüpft nun auch die Polizei an, die keine spektakuläre Jagd auf einen Babymörder startet, sondern vor allem der Mutter die Möglichkeit des offenen, vertraulichen Dialogs eröffnet. Die Fahndungsexperten wissen: die Schreie und den Blick des neugeborenen, namenlosen kleinen Jungen werden die Eltern niemals vergessen - ob in Haft oder im Verborgenen.

Artikel vom 30.07.2005