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Egal, ob nette
Oma oder Wetterhexe

Serie über Freilichtbühne Nettelstedt

Von Sonja Gruhn
Nettelstedt (WB). Die Geschichte der Freilichtbühne Nettelstedt reicht bis in die 20er Jahre zurück. Die Bühne ist eine der ältesten im Lande und die Zeit hat ihr viele schöne aber auch manch traurige Geschichten in die Chronik geschrieben. Doch die Tatsache, dass die Bühne auf dem Hünenbrink auch heute noch jährlich tausende Besucher nach Nettelstedt lockt, verdankt sie allein den Menschen, die mit viel Engagement, Optimismus und vor allem Herzblut auf und hinter ihr agieren.

Und wer sich als Zuschauer zurücklehnen und das gekonnte Schauspiel genießen kann, wird kaum einen Gedanken an die wochenlangen Proben der Schauspieler verschwenden. Und schon gar nicht wird er sich fragen, wie viele Stunden die Schneiderinnen mit den Kostümen zugebracht haben, wie das mit der Technik und den Effekten funktioniert, wie die aufwändige Maske der Schauspieler entstanden ist, warum Kulisse und Requisiten so wunderbar passen oder wieso er sich einfach rundherum wohl fühlen kann.
Für den Zuschauer soll es genau so sein. Er soll den Alltag vergessen, entspannen, Spaß haben und genießen. Die Schauspieler belohnt er mit seinem Applaus, bevor er zufrieden nach Hause fährt. Während er sich dabei noch an die ein oder andere lustige Szene erinnert, haben die Akteure gemeinsam mit den »Anderen« ihren zweiten Auftritt. Aufräumen ist angesagt und dabei helfen die Schauspieler selbstverständlich mit. Die »Anderen« sind hier nämlich alle. Und um die soll es in der neuen Serie »Hinter den Kulisssen« der LÜBBECKER KREISZEITUNG gehen.
Mit 79 Jahren ist Martha Budde die älteste der Spielgemeinde. In diesem Jahr, ihrem 57. Spielsommer, steht sie unter anderem als Großmutter in dem Kinderstück »Der Räuber Hotzenplotz« auf der Bühne. Betrachtet man Fotografien aus den Jahren 1973, 1974 und 1984, wird man eine frappierende Ähnlichkeit mit der damaligen »Großmutter« feststellen. Auch das war Martha Budde. Doch auf diese Rolle ist sie nicht festzulegen. Als »Rössel Wirtin« überzeugte sie ebenso wie als »Schlange« aus dem Dschungelbuch.
Sie selbst kann sich ein Leben ohne die Spielgemeinde nicht so recht vorstellen. »Es ist schön, wenn es den Zuschauern gefällt, egal ob ich als nette Großmutter oder als Wetterhexe auftrete.« Sie liebt fröhliche Kinder und gibt ihren kleinen Fans auch gerne Autogramme. Ein reiselustiger Mensch sei sie nie gewesen, erzählt sie und so steht Martha Budde bis heute der Spielgemeinde in jeder Saison zur Verfügung.
Wie die anderen Schauspieler auch, hat sie selbst dafür zu sorgen, dass die Requisiten für ihre Rolle am richtigen Platz liegen. Noch bevor sie in die Maske geht, »bewaffnet« sie sich mit Nudelholz, Messer, Teller, Suppenkelle und anderen Gegenständen und macht ihren Weg über die Bühne. In der als »Holzstapel« getarnten Kiste, deponiert sie einen Teil der Utensilien. Darunter auch einen halben Apfel. »Den nehme ich anstatt der Zwiebel, die ich später beim Kochen schneiden muss. Das ist nicht so unangenehm«, erklärt sie augenzwinkernd.
Von der Zuschauertribüne aus ist der Unterschied nicht zu erkennen. Und beim Abendstück prostet man sich anstelle von Portwein und Bier mit Eistee und Apfelschorle zur. Sauerkraut und Würstchen hingegen sind echt. Von Monika Möhlmann vorgekocht, wird die Mahlzeit in der Mikrowelle erwärmt und dem »Räuber« serviert. Während Techniker Achim Tiemann noch schnell die Nebelmaschine in Position bringt, finden Regenschirm und Nudelholz ihren Platz in der Fachwerkhauskulisse.
Unterwegs begegnen wir Ulrich Wellpott, der für seine Rolle als Oberwachtmeister Dimpfelmoser Feuerwehrschlauch und Zinkeimer an den richtigen Platz bringt. Ein paar »exotische Pilze« für den Bühnenrand hat er auch dabei. Derweil treffen nach und nach alle Mitglieder der Spielgemeinde ein, verschwinden in der Maske oder wenden sich anderen Aufgaben zu, bis es heißt: »Das Spiel beginne.«

Artikel vom 30.07.2005