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»Faulbaum« schreibt Kriegsgeschichte

Serie »Patthorster Geschichten« geh mit dem Buch »Die Zeit der Fledermäuse« zu Ende

Von Annemarie Bluhm-Weinhold
Steinhagen (WB). »Im Patthorster Forst wächst ein Strauch, der als schwarzer Pulverstrauch in die Geschichte der Feuerwaffen eingegangen ist.« So fängt eine Geschichte an, die die bekannte Haller Autorin Hanna Berheide in ihrem 1994 erschienenen Buch »Die Zeit der Fledermäuse« erzählt. Es geht um Krieg und Politik, um geheime Waffen und einen Anschlag aus dem Hinterhalt - und um die Liebe. Eine sagenhafte Geschichte, die einen wahren Hintergrund hat und heute das letzte »Kapitel« unserer »Patthorster Geschichte(n)« ist.

Es ist ausgerechnet der unscheinbare Faulbaum (Rhamnus frangula), der quasi aus dem feuchten Unterholz der Patthorst heraus, Kriegsgeschichte geschrieben hat. Dieses vier Meter hohe Mitglied der Familie der Dorngewächse zeichnet sich durch grauschwarze Rinde mit weißen Korkwarzen und unangenehmen Geruch des Holzes aus. Und doch wird er von Kriegsherren begehrt, denn das Faulbaumpulver beschleunigt die Zündung des Schwarzpulvers. »Eine im 30-jährigen Krieg sicher oft lebenswichtige Erfindung«, schreibt Hanna Berheide, die damals, Anfang der 90er Jahre, mit dem damaligen Patthorster Förster Günter Kempe im Rahmen ihrer Recherchen auf Entdeckungsreise durch die Patthorst und deren Geschichten ging. Den historischen Hintergrund hat die Hallerin aus den Bielefelder Archiven. Beides, Erzählungen und Fakten, verquickt sie auf das Spannendste in ihrer Erzählung »Die Pulvermühle und der General«.
Der Patthorster Pulverbaum führt die Autorin und ihre Leser geradewegs zurück in das Jahr 1640 und zu den drei Patthorster Mühlen, von denen sich eine, die Kriegs- und Pulvermühle in diesen unruhigen Jahren als besonders segensreich erweist. Für den jungen Leutnant Wolff von Eller nämlich: Laut historischer Quellen ist er 1647 als holländischer Rittmeister in den Diensten des brandenburgischen Kurfürsten, des Landesherrn, wird später Kriegsrat, General und sogar Gouverneur. In Hanna Berheides Erzählung sucht er mit seinen Soldaten nächstens die Witwe Gertrud Agnes von Monnichaus, die Pächterin der Pulvermühle, auf. Die hat ihm zum einen fässerweise das zündende Kriegsgut vom Patthorster Faulbaum hergestellt, zum anderen ist der junge von Eller ihr aber auch in Liebesdingen verbunden. Er verspricht ihr wiederzukommen . . .
Doch kaum ist seine Kutsche abgefahren, da wird die Mühle, die in der Nähe des ersten Patthorster Herrenhauses, des sagenhaften »Lustgartens« gelegen ist, von Unbekannten überfallen. Ein Hinterhalt, ein Angriff, der die Existenz der jungen Witwe (fast) vernichtet und das Herrenhaus in Schutt und Asche legt. Glücklicherweise hat die Müllerin die Truhe, in der sie die Reichstaler aus den Verkäufen des Faulbaumpulvers aufbewahrt, gut unter ihrem Bett versteckt. Es sichert ihr später ein bescheidendes Auskommen mit kleiner Landwirtschaft.
Aber in der akuten Not nach dem Überfall auf die Mühle bittet sie den Landesherrn um Hilfe: »Gertrud Agnes von Monnichaus, Wittib vom Closter zu Patthorst«, ersucht am 7. August 1640, beim Kurfürsten um Reduzierung ihrer Pacht. Das ist historisch verbürgt. »Doch sie bekommt lange keine Antwort vom Landesherrn. Erst 1643 wird ihre Bitte abschlägig beschieden - und zwar interessanterweise in genauer Kenntnis der Patthorster Verhältnisse«, weiß die Autorin. Wolff von Eller hat den Kurfürsten also informiert. Ein bitteres Ende einer abenteuerlichen Geschichte.

Artikel vom 12.08.2005