23.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Den grauen Kittel ausgezogen

Schuhmachermeister Dieter Wilke (72) schließt Werkstatt nach 31 Jahren

Von Dunja Henkenjohann
Werther (WB). Ob die Sohle nicht mehr ganz dicht war oder der Absatz auf halber Strecke verloren ging: Wo der Schuh auch drückte, Dieter Wilke wusste immer Rat. Über Jahrzehnte hat der Schuhmachermeister in seiner Werkstatt zuletzt im Hinterhof des Cafés Bossert für das Wohl tausender Füße gesorgt. Jetzt hat sich der 72-Jährige zur Ruhe gesetzt.

Dieter Wilke gilt in Werther als ein »Urgestein« des Schuhmacherhandwerks. Nachdem der gebürtige Niederschlesier 1950 in Halle eine Lehre gemacht hat, kommt er Anfang der 50er Jahre zum renommierten Wertheraner Schuhaus Redecker am Böckstiegel-Platz. 1984 übernimmt der Schuhmachermeister das Geschäft.
Dass der Beruf des Schuhmachers für Wilke eine Berufung ist, wissen die Wertheraner zu schätzen. »Wenn ich mal nicht da war, machten viele Kunden kehrt und sagten: Dann komme ich, wenn der Chef wieder da ist«, erinnert sich Dieter Wilke. Dabei ist es neben der guten Beratung wohl auch der Mensch unter dem grauen Kittel, der so viel Zuspruch findet. Denn nicht selten stellen sich die Wertheraner im Schuhgeschäft Redecker unter, wenn sie im Regen auf den nächsten Bus warten müssen.
Als das Schuhaus 1997 dem Neubau des Wohn- und Geschäftshauses der KWG an der Enger Straße weichen muss, setzt Dieter Wilke seine Arbeit im Hinterhaus des Café Bossert fort. Auf 20 Quadratmetern ist er nach wie vor für seine Kunden da, wenn der Schuh drückt - nicht als Verkäufer, aber als Schuhmachermeister.
»Ich hatte die einzige Schuhmacherwerkstatt in Werther«, erzählt Dieter Wilke, der aus Krankheitsgründen nach 18 Jahren auch seine kleine Werkstatt aufgeben muss. Er habe bis zuletzt sogar Schuhe für das Schuhaus Diekhaus repariert. Auch Koffer, Pferde-Zaumzeug oder Schuhe, die andere Experten längst aufgegeben hatten, brachte der leidenschaftliche Handwerker mit Hilfe seiner nostalgischen Adler-Nähmaschine wieder auf Vordermann.
»Es fällt mir sehr schwer, die Türen zu meiner Werkstatt abzuschließen«, sagt Dieter Wilke, der das kleine Räumchen mit Blick in den Hof mit Hilfe seiner Kinder nahezu komplett ausgeräumt hat. In den Regalen stehen lediglich noch die Schuhe einiger Kunden, die ihre »Fußkleider« zur Reparatur abgegeben und noch nicht abgeholt haben. Den Umgang mit seinem Werkzeug, der Geruch des Leders und die täglichen Gespräche vermisse er, sagt Wilke. »Aber es geht nicht mehr.«
Ein Trostpflaster bleibt dem Schuhmachermeister und seinen Kunden: Alexander Gross wird den Reparaturservice in den Räumen der Änderungsschneiderei Stas (Gartenstraße 3) fortführen. Dieter Wilke bedankt sich bei seinen Kunden für die Treue.
l Übrigens, wer seine Schuhe noch nicht abgeholt hat, kann sich bei Familie Wilke unter % 0 52 03/34 06 melden.

Artikel vom 23.07.2005