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»Führung schleicht sich aus Verantwortung«

188 Menschen nach Schließung ohne Arbeit -ÊGewerkschaft setzt weiter auf Verhandlungen

Von Frank Spiegel
Steinheim (WB). Obwohl es nach WESTFALEN-BLATT-Informationen in einem internen Ranking der Schieder-Gruppe zu den profitabelsten Unternehmen gehört, soll das PM-Möbelwerk in Steinheim geschlossen werden (das WESTFALEN-BLATT berichtete gestern). 188 Mitarbeiter würden so arbeitslos.

»Das macht man dicht, weil man ideologisch kein Zugeständnis machen will«, wirft Volker Kotnig, erster Bevöllmächtigter der IG Metall-Verwaltungsstelle Paderborn, der Geschäftsführung der Schieder-Gruppe vor, ihre Forderungen ohne Rücksicht durchsetzen zu wollen. Seit fünf Jahren verzichten die Mitarbeiter auf Geld, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten -Êoffenbar vergeblich.
Während die Geschäftsführung den Gewerkschaften und dem Betriebsrat vorwirft, sich nicht kooperationsbereit zu zeigen, wird das dort anders gesehen.
Anfang des Jahres sei bekant geworden, dass die Unternehmensführung weitere Einschnitte für die Beschäftigten plane. »Es geht um Prämienabsenkungen auf 50 Prozent, der Pämienrichtsatz sollte auf Null gefahren werden. Es sollte auf Sonderzahlungen wie zusätzliche Urlaubsvergütung und Weihnachtsgeld verzichtet werden. Außerdem wurden drei Stunden Mehrarbeit ohne Entgeldausgleich verlangt«, beschreibt der Bevollmächtigte die Einschnitte. Unter dem Strich hätten diese einen Verlust von etwa 10 000 Euro im Jahr auf dem Konto eines Arbeiters ausgemacht.
»Wir haben mehrere Gespräche geführt, und es ist deutlich geworden, dass es auf Seiten des Arbeitgebers überhaupt keinen Verhandlungsspielraum gibt«, blickt Volker Kotnig zurück. Die Gewerkschaft habe angeboten, die Prämie um die Hälfte zu senken aber den Prämienrichtsatz nicht auf Null abzusenken. Ferner wäre die Gewerkschaft einverstanden gewesen, wenn die Sonderzahlungen bis auf 35 Prozent kürzbar gewesen seien. Auch einer Verlängerung der Arbeitszeit um zwei Stunden habe man zugestimmt.
Die Schieder-Gruppe stellt die Situation etwas anders dar. Die Verhandlungen zwischen der Schieder-Gruppe, dem Betriebsrat und der IG Metall seien am 17. Februar mit dem Ziel aufgenommen worden, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens PM-Möbelwerke Steinheim nachhaltig zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Nachdem sich die Verhandlungsparteien bereits über die wesentlichen Punkte wie Senkung des Prämienlohns und Verlängerung der Wochenarbeitszeit hätten einigen können, habe sich die Schieder-Gruppe mit ihrer Forderung, Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den nächsten Jahren erfolgsabhängig zu zahlen, nicht durchsetzen können. »Wir sind über den Ausgang der Verhandlungen maßlos enttäuscht«, erklärt Schieder Holding Geschäftsführer Franz-Josef Golüke. »Die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld wollten wir in den nächsten Jahren vom Ergebnis abhängig machen. Schwarze Zahlen hätten wir an die Mitarbeiter weitergegeben. Aber weder der Betriebsrat noch die IG Metall wollten sich auf dieses Angebot einlassen.«
Die Einigung auf ein tragfähiges Konzept hätte die Garantie zur Standort- und Beschäftigungssicherung am Standort Steinheim bis 2009 beinhaltet. Golüke: »Neben den bestehenden Sortimenten sollten dort künftig auch Büro- und Media-Möbel für den europäischen Markt produziert werden. .«
»Wir haben versucht, eine tragfähige Lösung zu finden«, wehrt sich Volker Kotnig gegen die Vorwürfe aus der Schieder-Chefetage. Die finanzielle Belastung für die Arbeitnehmer müsse sich in Grenzen halten nach dem, was schon an Zugeständnissen gemacht worden sei.
Bis Ende Juli laufe noch der betriebsbedingte Kündigungsschutz von einem Jahr, erst dann könnten Kündigungen ausgesprochen werden. Ob die Produktion nach der Schließung nach Osteuropa verlegt wird, ist gegenwärtig reine Spekulation. Das Werk in Schieder sei nach Angaben der Kollegen sehr stark ausgelastet, insbesondere durch die Schließung von Wako-Möbel in Detmold. Es sei auch schon die Rede davon gewesen, das Werk in Delbrück wieder zu eröffnen.
Volker Kotnig setzt weiter auf Verhandlungen mit der Geschäftsführung, damit der Schließungbeschluss nicht umgesetzt wird. Er erinnert auch an die Gesellschafterverantwortung. Die Schieder-Gruppe sei nicht insolvenzgefährdet. Die Führung schleiche sich aus der Verantwortung schleichen, wenn sie das Werk schlösse.

Artikel vom 19.07.2005