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Die Kolumne Stadtgespräch erscheint mittwochs in dieser Zeitung.

Stadt
Gespräch

40 Jahre am »Katzentisch« (130. Folge):Lübke beim Liborimahl 1965


Hoher Gast beim Liborifest vor 40 Jahren war Bundespräsident Heinrich Lübke. Sein Besuch galt in erster Linie Erzbischof Lorenz Kardinal Jaeger, der im Februar des gleichen Jahres in Rom von Papst Paul VI. als erster Paderborner Bischof den Kardinalshut empfangen hatte. Der Bundespräsident reiste mit seiner Frau Wilhelmine im Sonderzug von Bonn nach Paderborn.
Vertreter der Stadt und der Kirche begüßten den hohen Gast am Bahnhof. Eine Autokolonne bewegte sich dann über das Westerntor, durch die Westernstraße und den Kamp zum Bischöflichen Palais. Nach dem Empfang gelangten der Bundespräsident und seine Frau an der Seite von Kardinal Jaeger, Ruhrbischof Franz Hengsbach, Bischof Chevalier aus Le-Mans und Weihbischof Paul Nordhues über die Kasseler Straße zum Dom, eskortiert von Paderborner Schützen.
Beim anschließenden Empfang im Rathaus nutzte Lübke die Gelegenheit, den von der Hochwasserkatastrophe am 16. Juli 1965 Betroffenen Mut zuzusprechen. Er werde die zuständigen Stellen der Bundes- und Landes-regierung in Bonn und Düsseldorf für eine wirksame Unterstützung bei der Behebung der Schäden gewinnen. Bürgermeister Christoph Tölle und Stadtdirektor Wilhelm Sasse baten den Bundespräsidenten um Eintragung ins Goldene Buch der Stadt.
Abends war Bundespräsident Heinrich Lübke Festredner beim traditionellen Liborimahl im Rathaus. Das deutsche Staatsoberhaupt begrüßte das Zusammenwirken der Städt von Le Mans und Paderborn: »Nach leidvollen Erfahrungen bemühen sich heute die europäischen Völker, dass ein Volk des anderen Freund und Anwalt sein soll. Jeder Bürger eines europäischen Staates darf wissen, das er kraft unserer gemeinsamen Vorstellungen und Ziele ein richtiges Heimrecht auch bei Nachbarn hat«. Nach diesen für die Zeit vor 40 Jahren überraschend klaren und mutigen Perspektiven durch den ersten Mann der Bundesrepublik Deutschland wurde Europa das Thema aller folgenden Liborimahl-Redner.
Bundespräsident Heinrich Lübke kannte als Sauerländer das Paderborner Liborifest. Auch die Präsidenten-Gattin Wilhelmine, die in Paderborn das Lehramt studiert hatte. Heinrich Lübke zählte Anfang der 50er Jahre zum Planungs-Team für die neue Weserbrücke in Höxter.
Beim Liborimahl 1965 bediente der Oberkellner aus dem wenige Wochen vorher eröffneten Ratskeller, Meiners, die Lübkes, Gildemeister Ferdinand Klingenthal, Kardinal Jaeger und die Stadtspitzen mit Bürgermeister Tölle und Stadtdirektor Sasse u. a. im weißen Dinnerjackett. Heinrich und Wilhelmine Lübke lobten beim abendlichen »Abtrunk« im Ratskeller die neue Stätte Paderborner Gastlichkeit an historischer Stelle: »Gediegen, gemütlich, westfälisch und ein anspruchsvoller Rahmen.«
Am Abend des 25. Juli 1965 legte ich beim Liborimahl im Rathaussaal Lübke ein Foto vom nachmittäglichen Empfang vor, mit der Bitte um ein Autogramm. »Wenn Sie ein Kavalier wären, hätten Sie mir ein Foto mitgebracht«, meinte der Bundespräsident. Ich war einer und zog aus der Jackentasche einen ganzen Packen aktueller Bilder.
Elf Jahre vorher hatte ich beim Fotografieren des damaligen nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministers Lübke Pech. In Warendorf begrüßte er auf dem Bahnhof den Negus von Abessinien, Haile Selassi, mit einem lauten »Helm ab zum Gebet«. Der Satz wurde mir im Manuskript gestrichen. Auch mein Foto aus dem Stall der ausgezeichneten Rinder mußt retuschiert werden. Auf dem Abzug stellte sich heraus, dass eine Kuh ungeniert neben dem Negus und Minister urinierte.Georg Vockel

Artikel vom 20.07.2005