20.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Beim TuS liegt
Herberger
völlig daneben

Rekordversuch in Mantinghausen

Von Marion Neesen (Text und Foto)
Mantinghausen (WV). Von wegen 90 Minuten. Im Lippedorf Mantinghausen ticken am kommenden Samstag, 23. Juli, die Uhren deutlich anders. Nicht etwa 90 Minuten, wie vom legendären »Chef« Sepp Herberger einst festgestellt, dauert dann ein Fußballspiel. Sondern 24 Stunden und mindestens eine zusätzliche Minute werden im Römerstadion tapfere Kicker unermüdlich gegen den Ball treten.

Seit einige verrückte Köpfe beim örtlichen TuS das Fußballspiel völlig neu definiert haben, ist in Mantinghausen das Rekordfieber ausgebrochen.
Jetzt wollen sie ins Guinness-Buch der Rekorde mit ihrer irrwitzigen Idee. Eine Idee, die noch niemand vor ihnen hatte. Zumindest gewagt noch keiner einen solchen Fußball-Marathon. Und die Chancen, das zu schaffen, stehen gar nicht so schlecht. Nur durchhalten müssen die Mannen von der Lippe noch.
Und so sieht man dieser Tage 15 ausgewählte Herren der TuS-B-Liga-Kicker eifrig Kondition bolzen -Êaußerhalb der Saison wohlgemerkt. Noch blicken die angehenden Dauerfußballer optimistisch der Herausforderung am Samstag entgegen (Punkt 12 Uhr mittags geht's los). Doch wenn zu später Stunde die Beine lahm werden und der Geist nicht mehr auf Ballhöhe ist, werden sie ganz bestimmt zwei gewisse Herren verfluchen. Denn was da in spätabendlicher Runde vor dem Vereinsheim ausgeheckt wurde, geht auf die Kappe von Ulrich Dengler (stellvertretender Vorsitzender der Fußballabteilung) und Karl-Heinrich Köthemann (Geschäftsführer). »Wir sind ein kleines Dorf und ein kleiner Verein«, sagt Ulrich Dengler, »deshalb wollten wir 'was ganz Beklopptes machen, um ein bisschen Geld in die Vereinskasse zu spülen.« Und so sponnen er und Kalli Köthemann vor gut einem Jahr an der Idee, auf dem Mantinghauser Rasen ein Rekordspiel anzupfeifen. Rund vier Wochen später hatte Ulrich Dengler von der Guinness-Redaktion in London die Zusage, dass der Kraftakt bei Gelingen einen Platz im Buch der Superlative bekommt.
Nun heißt es also die Fußballstiefel zu schnüren und das Leder ins Rollen zu bringen. Denn die Wahrheit liegt bekanntlich auf dem Platz. Gespielt wird auf einem Kleinspielfeld. Jedes Team besteht aus fünf Feldspielern und einem Torwart, insgesamt stehen beiden Mannschaften 15 Spieler zur Verfügung. Es darf fliegend gewechselt werden. Nach 30 Minuten gibt es eine fünfminütige Pause, jede Stunde kann man zudem fünf zusätzliche Minuten Pause erwerben, diese aber auch für die harten Stunden aufsparen.
Verlässt ein Aktiver das Spielfeld, muss er mindestens eine Stunde draußen bleiben, darf das Gelände aber nicht verlassen. Essen, trinken, schlafen und der Gang zur Toilette sind erlaubt - der sollte aber nicht länger als fünf Minuten dauern.
Am Stück spielen darf jeder maximal vier Stunden. Sollten verletzungsbedingt oder aufgrund von Wechseln weniger als drei Spieler in einer Mannschaft auf dem Feld stehen, ist der Marathonversuch gescheitert.
Damit alles mit rechten Dingen zugeht, wird eine vertrauenswürdige Jury, darunter unter anderem die beiden Ortsvorsteher Norbert Stoll und Theo Flottmeier sowie Betty Keuper (stellvertretende Bürgermeisterin), den Rekordversuch begleiten, das Spielgeschehen im Auge behalten und alle relevanten Daten in einem Logbuch festhalten. Außerdem muss der TuS medizinisches Personal und Schiedsrichter stellen.
Ohne Gegner geht's natürlich auch nicht. Für ihre denkwürdige Partie haben sich die Mantinghäuser ihren Ligakonkurrenten und Lieblingsgegner aus Verlar ausgesucht, für den natürlich die gleichen Regeln gelten. Und eines müssen sich sowohl die Mannen von Mantinghausens Trainer Klaus Polazcy als auch die von Verlars Trainer Ralf Vollmer abgewöhnen: Entscheidungen des Schiedsrichters werden nicht lange diskutiert, das könnte als absichtliche Zeitverzögerung gewertet werden.
»Die härteste Zeit wird sicherlich zwischen 4 und 8 Uhr morgens,« vermutet Ulrich Dengler, »dann wird so langsam die Zeltparty nebenan zu Ende gehen, und es wird stiller auf dem Platz.«
Er ist sicher, »dass die Jungs aber am Anfang richtig Gas geben werden«. Jede Menge Programm drumherum wird die Kicker im Alter von 18 bis 33 Jahren anspornen. Die Organisatoren hoffen auf viele Zuschauer, die die Spieler bei der Fußballstrapaze unterstützen. Dengler selbst, passionierter Torwart, wird übrigens nicht mitspielen. »Ich hatte in meiner Laufbahn zwei Einsätze für Mantinghausen, habe dabei 16 Tore und eine rote Karte kassiert.« Das spricht für sich. Sein Tipp für das Spielergebnis: 118:89 für Mantinghausen.
Bleibt zu hoffen, dass niemand auf dem Platz einschläft oder ihm Gleiches widerfährt wie einst Franz Beckenbauer, der im Rückblick auf seine Karriere als aktiver Fußballprofi feststellte: »Ich habe in einem Jahr 16 Monate durchgespielt.« Was die 30 Marathonfußballer aber nach ihren 24 Stunden ganz bestimmt nicht hören wollen, ist noch so eine alte Herberger-Weisheit: »Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.«

Artikel vom 20.07.2005