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Von Stefanie Hennigs

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Aspekte

Zivilcourage statt Panikmache


ine 13-Jährige ist im Freibad sexuell genötigt worden - diese Nachricht, mit der die Polizei in dieser Woche an die Öffentlichkeit trat, hat viele Eltern schockiert. Vor zwei Wochen soll ein 13-jähriges Mädchen im Freibad von einer Gruppe gleichaltriger Jungen genötigt worden sein, gegen ihren Willen sexuelle Handlungen an einem der Jungen vorzunehmen. Das Ganze wurde von einem der Jungen, die alle noch nicht 14 Jahre alt und damit noch nicht strafmündig sind, per Handy gefilmt. Diese Aufnahme war später an weitere Handybesitzer geschickt worden - ein Vorfall, den die Polizei ganz klar als Kinderpornographie bezeichnet und betont, dass schon der Besitz und auch die Weitergabe von Kinderpornographie strafbar ist und gerichtlich mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedacht werden kann.
Wie kann das in aller Öffentlichkeit passieren? Kann ich mein Kind noch ins Freibad lassen? Warum hat niemand geholfen? Diese Fragen drängen sich unweigerlich auf. Vorsicht ist sicherlich gut, übertriebene Panik jedoch fehl am Platz. Vorfälle wie diesen hat es vorher nie gegeben. Auch hat die Polizei noch nicht abschließend klären können, wie sich der Vorfall genau abgespielt hat. Kernpunkt der Ermittlungsarbeit ist es nach Auskunft der Polizei, eine Aussage des betroffenen Mädchens zu bekommen. Und herauszufinden, ob ihre Freundin, die im Freibad offenbar dabei war, hätte helfen können. Und damit auch jeder, der an jenem Dienstagnachmittag im Freibad war und etwas von dem Geschehen mitbekommen hat. Bisher hält sich die Polizei in diesen Fragen bedeckt - mit Recht, denn das Thema ist hochsensibel.
Zivilcourage zeigen, hinsehen statt wegsehen - diese Forderungen gehen in solchen Fällen immer schnell über die Lippen. Unabhängig davon, ob der Vorfall im Freibad für Außenstehende überhaupt als Nötigung erkennbar war, sollte der Appell der Polizei jedoch nicht ungehört verhallen: Hinschauen, sensibel sein für Situationen, in denen einem das Gefühl sagt, dass etwas nicht stimmen könnte. Auch Eltern sind an dieser Stelle gefordert, das Gespräch mit ihren Kindern zu suchen, hinzuhören, zu wissen, mit wem das Kind Umgang hat.
Dabei muss man nicht selber zum »Sheriff« werden - und sollte es nach Ansicht der Polizei auch nicht. Zivilcourage zeigt auch der, der die Beamten alarmiert oder Aufsichtspersonen wie die Schwimmmeister herbeiruft. Lieber einmal zuviel als einmal zu wenig.

Artikel vom 16.07.2005