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»Bloß nichts
überstürzen!«

Thema »Kaufland«: Experte warnt

Von Ingo Schmitz
Höxter (WB). Eine überwältigende Resonanz fand die Veranstaltung mit Stadtmarketing-Experte Christian Klotz. 500 Zuhörer kamen in die Stadthalle, um den Ausführungen des mitreißenden Rhetorikers zu lauschen. Sein Appell: »Politiker, tut etwas für Eure Stadt! Ihr müsst sofort anfangen.«

Trotz dieses Arbeitsauftrages mahnte der humorige Bayer die im Höxteraner Rat vertretenen Parteien dazu, in Sachen »Kaufland« nichts zu überstürzen. »Höxter ist eine Gewinnerstadt. Niemand zwingt Sie jetzt eine Entscheidung zu treffen. Starten Sie kein Wettrüsten mit den Nachbargemeinden. Sie werden dabei verlieren!«, richtete Klotz das Wort auch an die Verwaltungsspitze.
Klotz lehnt den Standort für ein SB-Warenhaus auf dem Kaisers-Gelände an der Albaxer Straße ab. Der Grund: die Innenstadt vertrage keine Ausweitung. Sein Vorschlag: Im Zentrum mehrere Grundstücke sammeln und zusammenlegen, um dort in fünf Jahren eine »große Lösung« umzusetzen. Dies sei sinnvoll, da es Höxters Innenstadt zwar nicht an Magneten mangele, die vorhandenen aber schlecht platziert seien. »Eine Einkaufsstraße braucht am Anfang und am Ende ein vernünftiges Entree. Das fehlt Höxter völlig«, machte der Experte deutlich.
Wie das WESTFALEN-BLATT gestern exklusiv berichtete, hatte Klotz bei seiner Besichtigung viele Missstände aufgedeckt. In der unterhaltsamen Veranstaltung, bei der der Kritiker kein Blatt vor den Mund nahm und zum Beispiel die Betonmauern auf dem Marktplatz mit »Checkpoint Charly« in Berlin oder den Zustand des Stadtbaches mit Wasserläufen in Bangkok verglich, bekam der Referent beistimmenden Applaus. Dabei betonte Klotz, dass sich viele Missstände in Höxter durch Eigeninitiative ohne öffentliche Gelder beheben ließen. (Beispiel: Parteien verpassen den alten Mülleimern einen neuen Anstrich).
Den kräftigsten Beifall bekam er, als er feststellte: »Das Dümmste, was einer deutschen Stadt passieren kann, ist, wenn sie Falschparker aufschreibt. Das treibt die letzten Kunden aus der Stadt.« Klotz berichtete aus seiner Heimat Bad Reichenhall. Wer dort nach einem Einkauf an seinem Auto ein Knöllchen vorfindet, kann das kostenlose Beschwerdetelefon der Kaufmannschaft nutzen. Diese zahlt nicht nur den Strafzettel, sondern legt noch einen 5-Euro-Gutschein für ein Kaffeetrinken in der Stadt obendrauf.
Der Kaufmann schlug vor: »Die Höxteraner Politessen sollten statt Strafzettel Pläne mit kostenlosen Parkplätzen verteilen.« Klotz ist sicher: Jeder Tourist und Kunde, der einmal ein Knöllchen bekommen hat, wird nicht nach Höxter zurückkehren und dies auch allen Bekannten und Freunden raten. »Das können Sie sich nicht leisten!«, führte er den Stadtvätern vor Augen.
Der Referent stellte fest, dass viele Fassaden der Höxteraner Geschäfte »katastrophal unmodern« seien. Er rief Geschäftsleute, die bei einer Modernisierung der Leuchtreklame Probleme mit Gestaltungsvorschriften hätten, zum Ungehorsam auf. »Nicht der Denkmalschutz kann entscheiden, wie Einzelhandel funktioniert. Einfach den Maler bestellen und machen -Êdann sieht Höxter 20 Jahre jünger aus.« Der Experte bläute den Zuhörern ein, dass sie ihre Stadt lieben müssten. Perfektion und kühle Freundlichkeit seien Sache der Großstädte. Kleine Städte müssten aber mit ihrer Herzlichkeit dem Gast zeigen, dass es ihm hier gut geht. »Darin besteht Höxters Chance«, stellte Klotz fest. Und damit dies auch alle erfahren, müsse mehr Werbung betrieben werden. Sein Vorschlag: Jeder Einzelhändler zahlt pro Mitarbeiter und Monat fünf Euro in einen gemeinsamen Topf. Den Betrag müsse die Stadt verdoppeln. Der Etat könnte dann für Kulturereignisse an allen Wochenenden, stärkere Medien-Präsenz und Schulungen genutzt werden. Klotz: »Billigere Wirtschaftsförderung gibt es nicht!«

Artikel vom 13.07.2005