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»Wasserkunst« versorgte
die Warburger Neustadt

Ab 1894 sorgte erstes Wasserwerk für Lebensqualität

Warburg (WB). Wasser für den täglichen Gebrauch war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in Warburg ein knappes und zuweilen auch ein gefährliches Gut. Davon handelt die zweite Folge der »Warburger Wassergeschichte(n)«.

Die Warburger Altstadt konnte Wasser aus der Diemel, aus der Quelle am Osterberg und aus Tiefbrunnen gewinnen. Schwieriger waren die Verhältnisse für die Neustadt. Dort mussten Brunnen bis in die Tiefe von 50 Metern und mehr gegraben werden. Über einen solchen Brunnen verfügte zum Beispiel das Dominikanerkloster.
Die Neustadt erhielt ihr Wasser vom 15. Jahrhundert bis zum Ende des 19. Jahrhunderts überwiegend über die so genannte Wasserkunst. In einem Gebäude am Mühlengraben vor der Altstadt war eine mechanische Wasserhebeanlage, die eigentliche Wasserkunst, untergebracht. Sie bestand im Kern aus einem Wasserrad, das zwei Kolbenpumpen antrieb. Diese drückten das Wasser in eine Rohrleitung. Diese Leitung führte über einen Höhenunterschied von rund 60 Metern hinauf zu einem etwa neun Meter hohen Wasserturm auf dem Puhlplatz, dem Platz, auf dem heute das Amtsgericht steht. Von dort wurden über hölzerne Leitungen der einzige Feuerlöschteich in der Neustadt und vier Brunnen versorgt.
Quellwasser speiste zwei weitere Brunnen, der eine lag in der Salzborngasse, der andere hinter dem von Hiddensenschen Haus an der Unterstraße. Der Seichenbrunnen vor dem Paderborner Tor war ursprünglich der Brunnen des im 30-jährigen Krieg zerstörten Siechenhauses.
Die Wasserversorgung der Neustadt war nach heutigen Maßstäben nicht ohne Probleme: Bei Hoch- oder Niedrigwasser der Diemel versagte die Wasserkunst, im Winter drohte sie einzufrieren. Die Leitungen waren häufig undicht und mussten immer wieder erneuert werden.
Einmal im Jahr wurde der Mühlengraben gesäubert, dann waren für bis zu zehn Tagen die Brunnen auf der Neustadt trocken. Die Wasserentnahmestellen waren häufig verschlammt, die Zuleitungen lagen zum Teil offen. An diesen Stellen bedienten sich nicht nur die Menschen, sondern es wurde auch Vieh getränkt. In Diemel und Mühlengraben flossen Jauche und Abwasser, zudem wurde im Fluss Flachs gewässert. 1870 machte der Kreisarzt das Wasser für eine Typhusepidemie mit drei Todesopfern verantwortlich.
Im günstigsten Fall pumpte das Hebewerk täglich 1000 Hektoliter Wasser nach oben, von dem ein Großteil allerdings versickerte, bevor es die Brunnen erreichen konnte.
Von den Wasserstellen in der Neustadt, so auf dem Marktplatz und an der Neustädter Kirche gegenüber der Erasmus-Apotheke, schleppten Frauen und Kinder das Wasser in Eimern mit dem Tragejoch auf der Schultern ins Haus. Dabei musste nicht nur das Wasser für die Menschen herbeigeschafft werden, sondern auch für das Vieh, denn die meisten Haushalte hatten bis ins 20. Jahrhundert noch ein landwirtschaftliches Standbein und hielten mehr oder weniger Kühe, Schweine, Ziegen und Pferde. Auch die öffentliche Wasserversorgung der Altstadt war von mangelnder hygienischer Qualität und oft defekt.
Als im April 1894 dann endlich das Zeitalter der moderne Wasserversorgung durch das Wasserwerk begann, hatte man in Warburg wesentlich an Lebensqualität gewonnen.

Artikel vom 08.07.2005