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Zeugen: Angeklagter war in Spanien

Prozess um Bombendrohung gegen Linde-Hauptversammlung vertagt

Von Alexandra Rüther
Bad Driburg/Höxter (WB). Ein überraschender Beweisantrag der Verteidigung hat Richter Andreas Hohendorf am Amtsgericht Höxter gestern dazu gezwungen, den Prozess gegen einen 62-jährigen selbständigen Kaufmann aus Bad Driburg zu vertagen.

Dem Mann wird vorgeworfen, mit einer Bombendrohung eine Aktionärsversammlung des Linde-Konzerns gesprengt zu haben (das WB berichtete am 21. Juni). Eine Zeugin, die als Telefonistin in der Linde-Konzernzentrale in Wiesbaden arbeitet, berichtete in der Verhandlung in Höxter von dem anonymen Anruf, den sie am 18. Mai 2004 um 10.35 Uhr entgegengenommen hatte. Ein Mann, den sie auf Mitte 50 schätze, habe gesagt »Warnen sie ihre Leute in München, da geht in fünf Minuten eine Bombe hoch.«
Obwohl erst wenige Stunden zuvor die Halle von der Polizei routinemäßig untersucht worden war, ließ der Veranstaltungsleiter den Tagungsort räumen. 1400 Gäste mussten die Congresshalle unverzüglich verlassen. Die Polizisten, die die Örtlichkeit nun erneut durchsuchten, haben allerdings keine Bombe gefunden. Etwa zwei Stunden später konnte die Linde-Versammlung fortgesetzt werden. Allerdings hatten bereits viele Gäste die Veranstaltung verlassen.
Die Polizei ermittelte als »Tatwaffe« das Handy des Angeklagten, mit dem nachgewiesener Weise bereits mehrere Anrufe bei der Firma Linde getätigt worden waren. »Dabei handelte es sich um Anrufe, die nur wenige Sekunden dauerten«, sagte der ermittelnde Hauptkommissar gestern vor Gericht.
Hintergrund für diese Anrufe sind laut Staatsanwaltschaft Streitigkeiten zwischen dem Sohn des Angeklagten und dessen Ex-Frau wegen der gemeinsamen Tochter. Die ehemalige Schwiegertochter hat erneut geheiratet, und ihr jetziger Mann arbeitet in einer Linde-Niederlassung in Ostwestfalen-Lippe. Richter Hohendorf verlas in der Verhandlung Passagen aus einigen Briefen, die der Angeklagte an den Linde-Konzern geschrieben hat. In diesen Briefen habe der Angeklagte immer wieder versucht, den neuen Ehemann seiner ehmaligen Schwiegertochter bei seinem Arbeitgeber schlecht zu machen. Angeblich habe dieser gestohlen oder mit Hilfe einer Krankschreibung seinen Urlaub verlängert. Die Linde AG habe trotz wiederholter Vorwürfe des 62-Jährigen zu ihrem Mitarbeiter gestanden, erklärte die Staatsanwaltschaft.
Auch die Ex-Schwiegertochter des Angeklagten berichtete dem Gericht von belästigenden Telefonaten seitens des 62-Jährigen. Sie habe nächtliche Anrufe bekommen, bei denen sofort wieder aufgelegt worden sei. Außerdem habe ihr ehemaliger Schwiegervater sie in anderen Telefonaten beschimpft und bedroht. »Es ist offensichtlich, dass es sich hier um einen Kleinkrieg zwischen der Familie des Angeklagten und der seiner Ex-Schwiegertochter handelt. Das hat aber nichts mit diesem Strafverfahren zu tun«, stellte Rechtsanwalt Müller aus Bad Driburg fest. Außerdem sei es fraglich, ob nicht auch andere Personen mit dem besagten Handy hätten telefonieren können.
Überraschend stellte er einen Beweisantrag, der besagt, dass der Angeklagte zur Zeit der Bombendrohung mit Baumfäll- und Aufräumarbeiten auf seinem Grundstück in Spanien beschäftigt gewesen sei. Zwei Zeugen, die der Verteidiger namentlich benannte, wollen ihn dort gesehen haben. Nach einer Beratungszeit von einer dreiviertel Stunde kam Richter Hohendorf zu dem Schluss, die Verhandlung aufgrund des Beweisantrages der Verteidigung, den er nicht ablehnen dürfe, den Prozess vertagen zu müssen.

Artikel vom 08.07.2005