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Mehr Unterhalt für Kinder

Änderung der »Düsseldorfer Tabelle« - Was ist nun zu tun?

Von Rechtsanwalt
Hans-Hermann Hellmann
Herford (HK). Die so genannte Düsseldorfer Tabelle, die den Regelunterhalt für Kinder festlegt, wird regelmäßig, etwa alle zwei Jahre, angepasst. Zum 1. Juli ist nun die aktuelle Anpassung der Düsseldorfer Tabelle erfolgt.

Diese sieht im Mittel eine Steigerung der Kindesunterhaltsbeträge von etwa 2,5 Prozent vor. Die Tabelle hat keine Gesetzeskraft, sondern stellt eine Richtlinie dar. Sie erfasst 13 Einkommensstufen gestaffelt von einem Einkommen von 1 300 Euro netto bis 4 800 Euro netto. Der Unterhaltsanspruch der Kinder wird nach vier Altersstufen differenziert: Kindesalter bis fünf, sechs bis elf, zwölf bis 17 und ab 18 Jahren.
Den Einkommensstufen ist gegenüber gestellt der so genannte »vom Hundert Satz« der Regelbetragsverordnung des Bundesjustizministeriums für den Kindesunterhalt. Die Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt von 135 Prozent des Regelbetrages zu leisten, soweit das Kind also nicht wenigstens den Richtsatz der 6. Einkommensgruppe abzüglich des hälftigen Kindergeldes erhält.
Im Ergebnis ist daher die Nettounterhaltsbelastung für den Unterhaltspflichtigen innerhalb der Einkommensgruppe 1 (bis 1 300 Euro netto) bis 6 (bis 2 300 Euro netto) faktisch nahezu identisch. So ist nach der neuen Düsseldorfer Tabelle für ein bis fünf Jahre altes Kind nunmehr ein Mindestunterhalt von 199 Euro monatlich zu zahlen. Ein in der Berufsausbildung stehendes Kind hat sich seine Ausbildungsvergütung voll auf den Unterhaltsanspruch anrechnen zu lassen bis auf einen anrechnungsfreien Sockelbetrag von 90 Euro. Der angemessene Gesamtunterhaltsbedarf eines Studierenden, der nicht bei den Eltern wohnt, ist nunmehr auf 640 Euro festgesetzt worden.
Der Selbstbehalt des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ist auf 890 Euro (vorher 840) erhöht worden. Der Selbstbehalt des nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichten beträgt 770 Euro. Hierin sind bis 360 Euro für die Warmmiete enthalten.
Der angemessene Eigenbedarf gegenüber nicht mehr in der allgemeinen Schulausbildung befindlichen volljährigen Kindern beträgt mindestens 1 100 Euro monatlich.
Im Regelfall zählt zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen das Jahresbruttoeinkommen, Arbeitslosen- oder Krankengeld. Vom Bruttoeinkommen werden die Steuern, die Sozialabgaben und Vorsorgeaufwendungen abgesetzt. Der erwerbstätige Pflichtige kann berufsbedingte Aufwendungen pauschal in Höhe von 5 Prozent des Nettoeinkommens, höchstens 150 Euro monatlich geschätzt, abziehen. Übersteigen die berufsbedingten Aufwendungen diese Pauschalen, sind Sie insgesamt nachzuweisen.
Hinsichtlich einer Unterhaltsanpassung ab dem 1. Juli ist nun dahingehend zu differenzieren, wie bislang die Unterhaltsansprüche zwischen den Eltern gehandhabt wurden. Besteht kein Unterhaltstitel und wurde freiwillig gezahlt, so dürfte eine einfache Mitteilung an den Unterhaltspflichtigen die Unterhaltszahlung ab dem 1. Juli zu erhöhen, unproblematisch sein.
Gestaltet sich die Kommunikation schwierig und bestehen Titel, so ist zu differenzieren: Es gibt verschiedene Möglichkeiten den Kindesunterhaltsanspruch zu titulieren, sprich einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel zu schaffen. Dies kann bei minderjährigen Kindern geschehen durch die Jugendamtsurkunde, in der sich der Unterhaltsschuldner der Zahlung von Kindesunterhalt unterwirft. Das heißt, dass sich der Pflichtige zur Unterhaltszahlung in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes, beispielsweise 135 Prozent der Regelbetragsverordnung, verpflichten kann, mit der Maßgabe, dass die Verpflichtung beginnend beim Kleinkind bis zur dritten Altersstufe (12 bis 17 Jahre) festgeschrieben werden kann.
Daneben besteht die Möglichkeit, Unterhaltsbeträge minderjähriger Kinder bis zu einem Betrag von 150 Prozent der Regelunterhaltsverordnung (Einkommensgruppe 8) im »vereinfachten Verfahren« beim Amtsgericht im Beschlusswege festsetzen zu lassen. Dies setzt voraus, dass das Kind nicht im Haushalt des Verpflichteten lebt, kein Unterhaltstitel besteht und kein anderes Unterhaltsverfahren anhängig ist.
Für das vereinfachte Festsetzungsverfahren besteht eine vereinfachte Abänderungsmöglichkeit, sofern sich die Anrechnung von Kindergeldbeträgen ändert oder Kindergeld ausschließende Leistungen nach § 65 EStG getroffen sind. Ansonsten ist die Titulierung des Kinderunterhalts möglich im »normalen« Kindesunterhaltsklageverfahren.
Die Abänderungsklage kann folgende Titel erfassen: Urteile; gerichtliche Vergleiche; Kindesunterhaltstitel aus dem vereinfachten Verfahren; vollstreckbare notarielle Urkunden; Jugendamtsurkunden über den Kindesunterhalt. Die Abänderungsklage für die Abänderung von Gerichtsurteilen setzt voraus, dass sie auf Gründe gestützt wird, die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in dem vorangegangenen Unterhaltsverfahren entstanden sein müssen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des objektiven Vorliegens dieser Umstände, nicht der Kenntnis hiervon. Die Abänderung setzt ferner voraus, dass sich die maßgeblichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Faustformel ist eine Einkommensänderung um 10 Prozent.
Weitere wichtige Abänderungsgründe sind: 1. Erreichen der nächsten Altersstufe bzw. der Volljährigkeit; 2. Änderung der Unterhaltstabelle, wie jetzt vorliegend; 3. Änderung der Steuerlast des Unterhaltspflichtigen; 4. Wegfall; 5. erhebliche Änderung des Einkommens; 6. Änderung der Selbstbehaltsätze der Unterhaltstabelle, wie nun Anhebung auf 890 Euro.
Hierbei ist zu beachten, dass nach der geänderten Rechtsprechung dies nicht der Fall ist, wenn der Eintritt in die neue Altersstufe bei Schluss des Vorprozesses unmittelbar bevorstand. Zu beachten ist, dass der Unterhaltstitel eines minderjährigen Kindes, soweit er nicht ausdrücklich zeitlich beschränkt ist, über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus fortdauert und nur im Wege der Abänderungsklage mit der Begründung »der Anspruch sei entfallen (Kinder in der Berufsausbildung)« beseitigt werden kann. Auch ist zu beachten, inwieweit beispielsweise der Verlust des Arbeitsplatzes unterhaltsrechtlich vorwerfbar ist. Grundsätzlich setzt die Abänderungsklage also eine Änderung von Tatsachen voraus.

Artikel vom 09.07.2005