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Anfällig aus
Einsamkeit ?

Rahdener soll Rentner betrogen haben

Von Stefanie Westing
Espelkamp/Minden (WB). Wurde ein 86-jähriger Rentner aus Espelkamp Opfer eines skrupellosen Betrügers? Diese Frage konnte gestern vor dem Schöffengericht Minden noch nicht abschließend geklärt werden.

Angeklagt ist ein 33 Jahre alter Geschäftsmann aus Rahden wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betruges. Ihm wird vorgeworfen, den Espelkamper Rentner im vergangenen Jahr mit dem (falschen) Versprechen, ihm Wohnräume in einem noch umzubauenden Haus in Rahden zur Verfügung zu stellen, um eine hohe fünfstellige Summe gebracht zu haben. Die Geschichte endete tragisch: Der 86-Jährige wurde tot in seiner Espelkamper Wohnung aufgefunden. Offenbar hatte er sich das Leben genommen.
Der Angeklagte und eine Begleiterin sollen den Rentner damals auf der Breslauer Straße in Espelkamp angesprochen haben. Da seine Frau gerade in ein Pflegeheim gekommen war, fühlte sich der alte Mann offenbar einsam, wurde gestern von mehreren Zeugen bestätigt.
In einer Bankfiliale in Diepholz schließlich hatte die Polizei Ende Mai 2004 eingegriffen, als der Rentner und der 33-Jährige nach Auskunft eines Bankmitarbeiters 8000 Euro abheben wollten. »Ich hatte die Vermutung, dass es sich um einen so genannten Enkeltrick handeln könnte«, erklärte der Zeuge gestern. Daher habe er ein Gespräch mit den beiden Männern gesucht. Der Angeklagte, der zu allen Vorwürfen schweigt, habe sich als Neffe des alten Mannes ausgegeben und habe sogar bereitwillig seinen Personalausweis vorgelegt. In einer telefonischen Rücksprache mit der kontoführenden Geschäftsstelle in Lübbecke hieß es, der Bankkaufmann solle die beiden Männer aufhalten, man würde die Polizei benachrichtigen. Denn offenbar hatte es schon vorher in anderen Geschäftsstellen der Bank Probleme gegeben.
In Minden zum Beispiel hatte der Mann eine Summe in Höhe von etwa 28 000 Euro abheben wollen. »Wir waren unsicher, ob wir den Betrag auszahlen sollte«, sagte eine Mitarbeiterin, die früher in der Filiale in Espelkamp arbeitete und den Rentner daher persönlich kannte. Denn Summen in dieser Größenordnung würden normalerweise vorreserviert. Als der Begleiter des Rentners kurz die Bank verließ, um etwas aus seinem Auto zu holen, nahm die Bankkauffrau den Espelkamper zur Seite. »Er machte einen unglücklichen Eindruck und wirkte verwirrt. Er sagte mehrfach, dass seine Frau jetzt im Pflegeheim lebe und er ganz allein sei«, sagte die Zeugin. Er habe »tatterig« und fast weinerlich gewirkt und habe in der Zeit, in der sie ihn nicht gesehen habe, eindeutig geistig abgebaut.
Der alte Mann habe ihr erzählt, er habe da jemanden, zu dem wolle er ziehen, und dafür brauche er das Geld. »Mir schienen seine Ausführungen aber nicht plausibel, und in Absprache mit unserer Geschäftsstelle in Lübbecke haben wir entschieden, das Geld nicht auszuzahlen.«
Denn den Kollegen in Lübbecke war bereits eine größere Summe aufgefallen, die der 86-Jährige abgehoben hatte - obwohl er zuvor meist nur am Geldautomaten in Espelkamp das Geld holte, was er zum Leben brauchte. Doch eines Tages sei er in der Bankfiliale in Lübbecke erschienen und habe 16 000 Euro verlangt. Diese Summe war ihm tatsächlich ausgezahlt worden, doch wurden die Bankmitarbeiter aufmerksam. Nur deshalb kam es später in Diepholz dazu, dass die Polizei eingriff.
Was es mit einer Auszahlung in Höhe von 35 000 Euro bei einem anderen Kreditinstitut auf sich hatte, konnte gestern noch nicht beantwortet werden. Diese Frage soll bei der Fortsetzung der Verhandlung geklärt werden. Dann muss auch eine weitere Zeugin aussagen, die gestern nicht anwesend war. Aus Versehen hatte das Gericht die Schwägerin der Zeugin geladen - beide tragen den selben Nachnamen.

Artikel vom 07.07.2005