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»Klinik-Schließung
war völlig unnötig«

Interview mit Krankenhausplaner Thomas Fritz

Gütersloh/Dortmund (WB). Die Schließung des evangelischen Krankenhauses Rheda war völlig unnötig. Bis zur Klärung rechtlicher Fragen hätten bereits aufgenommene Patienten weiter behandelt werden können. Im Interview mit WESTFALEN-BLATT-Redakteur Stephan Rechlin sieht Krankenhausplaner Thomas Fritz von der AOK Westfalen-Lippe den »Schwarzen Peter« eher bei der Bezirksregierung.

Plötzliche Krankenhaus-Evakuierungen kennen ältere Patienten aus dem Krieg. Treibt die AOK Krankenhauspolitik auf den Rücken der Versicherten?
Thomas Fritz: Wir haben die Evakuierung des evangelischen Krankenhauses Rheda weder beschlossen noch angeordnet. Wir wurden selber davon überrascht.

Mit der Weigerung, offene Rechnungen im Wert von mehr als 100 000 Euro zu zahlen, hat die AOK die evangelische Stiftung in die Insolvenz getriebenÉ
Fritz: Wir können uns gar nicht weigern, offene Rechnungen zu bezahlen. Dazu sind wir als Körperschaft öffentlichen Rechts verpflichtet. Die Stiftung hat ihr Geld längst bekommen. Zu der nun eingeleiteten Insolvenz trugen offenbar Schulden bei, die in Vorjahren angehäuft wurden.

In den Budgetverhandlungen lehnte es die AOK darüber hinaus ab, in diesem Jahr auch nur einen Cent für das Krankenhaus in Rheda einzuplanen.
Fritz: Nur solange nicht feststeht, ob das Krankenhaus nun mit dem Städtischen Klinikum Gütersloh fusioniert oder nicht. Obwohl der Termin zur Schließung des Krankenhauses Rheda seit anderthalb Jahren feststeht, gibt es bis heute keinen Fusionsvertrag. Im ersten Bescheid der Bezirksregierung zur Krankenhausplanung tauchte der Standort Rheda gar nicht mehr auf. Er wurde erst nachträglich, auf Drängen der Landesregierung, in den Bescheid aufgenommen.

An den Verhandlungen, die zu den nun beschlossenen Zweier-Fusionen im Kreis Gütersloh führten, war die AOK doch beteiligt.
Fritz: Tatsächlich? Von den beabsichtigten Zweierfusionen hörten wir nur in informellen Gesprächen. Vorher war noch von einer großen Vierer-Fusion im Kreis Gütersloh die Rede gewesen. Über die Umstände, die zur neuen Lösung führten, wurden wir nicht unterrichtet. Wir sollten anschließend im Anhörungsverfahren nur mal eben unsere Meinung sagen.

Sie sind gegen die Zweier-Fusionen?
Fritz: Ja. Im Norden gehen zwei schwache Partner zusammen, von denen das Krankenhaus Versmold zudem vor einer höchst ungewissen Zukunft steht. Dem Regierungsvorschlag nach soll dort eine Frührehabilitation eingerichtet werden, ohne dass es auch nur ansatzweise benachbarte Disziplinen gibt, aus denen vielleicht Patienten gewonnen werden könnten. Im Süden soll der Standort Rheda mit drei Disziplinen erhalten bleiben, von denen mindestens zwei dort nicht hingehören.

Welche?
Fritz: Die Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde wurde bislang im benachbarten St. Vinzenz-Hospital vorgehalten. Dort soll sie geschlossen, ein paar Straßen weiter wieder geöffnet werden. Das ist blanker Unsinn. Die ebenfalls für Rheda vorgesehene plastische Chirurgie gehört zwingend in die Nähe des neuen Brustzentrums, also nach Gütersloh.

Bliebe für Rheda nur noch die allgemeine Chirurgie. Das spricht nicht gerade für den Erhalt des Standortes.
Fritz: Aus unserer Sicht nicht. Die wohnortnahe, medizinische Grundversorgung leistet dort das zertifizierte St. Vinzenz-Hospital. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, in einer verhältnismäßig kleinen Stadt zwei Krankenhäuser zu unterhalten.

Heute sollen die Budgetverhandlungen für das Krankenhaus Rheda wieder aufgenommen werden. Warum sind Sie überhaupt verhandlungsbereit?
Fritz: Weil der Standort Rheda im neuen Bescheid zur Krankenhausplanung festgeschrieben ist. Dagegen können wir nichts machen. Wenn die Landesregierung das so festlegt, sind wir daran gebunden.

Artikel vom 06.07.2005